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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman
Autoren: Heyne
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konnte.
    Schon besser , sagte sie. Du musst geduldig sein, mein Jüngling. Alles kommt zu seiner Zeit. Morgen wirst du der Häuptling sein und bald der Häuptling aller Häuptlinge. Aber noch nicht. Du musst warten, bis die Frucht reif ist, bevor du zubeißt .
    Welliges Haar, eher weiß als rötlich, wehte ihr ins Gesicht. Sie hob die Hand und schob es zurück, und dabei flammte der Sternensaatstein in ihrem Ring im Feuerschein so hell auf wie ein Winterstern. Dann erlosch er, wie auch ihre Gegenwart in seinen Gedanken verlosch.
    Drwyn atmete langsam aus. Hier war er, der Mann und Krieger, der in wenigen Stunden zum Häuptling des Wolfclans ernannt werden würde. Er sollte keine Angst vor einer Frau haben. Aber alle im Clan, einschließlich seines verstorbenen Vaters, unterhielten sich nur im Flüsterton und traten behutsam auf, wenn die Sprecherin in der Nähe war. Bei ihm war es genauso. Die Mächte, über die sie gebot, ließen ihm das Mark in den Knochen gefrieren.
    Doch er brauchte diese Mächte genauso wie ihren Rat. Daran gab es keinen Zweifel; ohne sie würde er niemals zum Häuptling aller Häuptlinge werden. Mit ihr hingegen war alles möglich, und schon am kommenden Morgen würde es beginnen.
    Die Crainnh begingen Drwyns Wahl zum Häuptling mit einem Fest. Zwanzig Elche wurden geschlachtet und an Spießen geröstet, und die Jäger fingen ganze Körbe voller Fische und Vögel. Jede Frau des Clans backte oder braute oder leistete einen anderen Beitrag zu den Feierlichkeiten. Ein großes Feuer wurde auf der Asche des Scheiterhaufens entzündet, um das der neue Häuptling, seine Krieger und die Clanältesten ihre Becher auf Drws heimgegangenen Geist erhoben, bevor sie einen Trinkspruch auf die kommenden Ruhmestaten seines Sohnes ausbrachten.
    Doch Ytha runzelte die Stirn. Die ausgesuchten Fleischstücke lagen unangerührt auf ihrem Holzteller, während sie mit verschränkten Beinen auf einem Kissen saß und die Frauen des Clans dabei beobachtete, wie sie ihren Männern Brot und Bier reichten. Insbesondere sah sie einer bestimmten jungen Frau zu. Gelegentlich nahm sie einen Schluck aus ihrem Becher, doch die meiste Zeit beobachtete sie nur.
    Nun, da Drw und sein Mangel an Ehrgeiz zu Asche geworden waren, hätte sie eigentlich in Feierlaune sein sollen, aber sie war es nicht. Es war bisher nur ein einziges Hindernis aus dem Weg geschafft, und es gab keine Garantie dafür, dass nicht noch weitere Fallstricke und Gefahren auf sie warteten, die auch den besten Plan zunichtemachen konnten. Beständig musste sie auf das achtgeben, was sich im hohen Gras verbergen mochte.
    Drwyn warf einen Knochen ins Feuer und rieb sich die fettigen Finger an der Hose ab. »Was macht dir Sorgen, Ytha?«
    »Das Mädchen dort drüben.« Sie deutete mit dem Kopf auf die undeutliche Gestalt, die auf der anderen Seite des Feuers umherging und einen Korb auf ihrer Hüfte balancierte. »Siehst du sie?«
    Es gab wenig zu sehen außer ihrem braunen Haar und einem hellen Kleid. »Ich sehe sie«, grunzte Drwyn und griff nach seinem Becher. »Sie war in der Nacht, in der mein Vater gestorben ist, in seinem Bett.«
    »Das war es, was ihn umgebracht hat.«
    »Wirklich? Mein Vater hat nach dem Tod meiner Mutter mindestens ein Dutzend Dirnen wie sie genommen. Eine musste schließlich die Letzte sein.«
    Bereits vor dem Tod seiner Mutter hatte es viele Frauen im Leben seines Vaters gegeben: zufällige Begegnungen, warme Betten in kalten Nächten, aber keine war wie diese hier gewesen, und keine hatte er so lange für sich behalten.
    »Sie könnte irgendwann eine Bedrohung für uns werden«, sagte Ytha. »Sie hat eine Aura, die ich nicht lesen kann.«
    »Und das soll gefährlich sein?« Er lachte. »Du erschrickst vor Schatten.«
    »Vielleicht.« Ytha schürzte nachdenklich die Lippen, ehe sie die Frage stellte, die sie schon den ganzen Tag wie ein Dorn im Schuh quälte. »Was ist, wenn dein Vater noch einen Sohn hat?«
    »Drw ist tot. Und auch alle seine Söhne sind tot – außer mir.«
    »Aber er hat seinen Daigh zwei ganze Jahreszeiten über in diese junge Frau gesteckt! Was ist, wenn sie schwanger ist?« Ytha deutete auf das Mädchen, das gerade Brotstücke verteilte. »Was ist, wenn sie ein Kind austrägt?«
    »Mein Vater war zu alt, um noch Bastarde zeugen zu können«, höhnte Drwyn. »Außerdem wäre ein solcher keine Bedrohung für mich. Ich würde ihn mit der linken Hand erwürgen.«
    »Ich bezweifle nicht, dass du das könntest. Immer
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