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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman
Autoren: Heyne
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Übereinkunft nicht vergessen.«
    Das ist gut. Denn wenn du sie vergessen hättest, wären die Auswirkungen … unangenehm für dich . Die Schwärze im Spiegel bestand nun aus Schatten, die sich in unablässiger, endloser Bewegung befanden, düster wie ein Gewitterhimmel. Beeile dich, Mensch. Das Königreich wartet .

2
    Der Tradition entsprechend, hielt Drwyn bei einsetzender Abenddämmerung eine Fackel an das Zelt seines Vaters. Die Flammen leckten zögerlich an dem bemalten Leder, als ob sie seltsame neue Nahrung kosteten, dann fanden sie Gefallen daran, sprangen hoch und verzehrten es. Nach wenigen Minuten stand der Scheiterhaufen in hellem Glanz; das Feuer zuckte und wand sich im unablässigen Ostwind. Drwyn warf die Fackel in die Flammen und trat von der sengenden Hitze zurück. Am Morgen würde alles vorbei sein.
    Ein Seufzen ging durch den versammelten Clan. Aus den Augenwinkeln sah Drwyn, wie die schattenhaften Gestalten zurückwichen und mit der Dunkelheit zwischen den Zelten verschmolzen, während andere nach vorn kamen. Zwanzig Krieger würden zusammen mit ihm Wache stehen, einer für jedes Jahr der Herrschaft seines Vaters. Sie bildeten einen groben Kreis um den Scheiterhaufen; ihre Gesichter waren in dem orangefarbenen Licht jeglicher Identität beraubt und von scharfen Schatten umrahmt. Ihre Speere standen aufrecht vor ihnen, und sie würden hierbleiben, bis entweder das Feuer erlosch oder die Sonne aufging.
    Das Zelt brach unter einem plötzlichen Auflodern der Flammen in sich zusammen. Der Leichnam des alten Mannes und die Grabbeigaben, die um ihn herum aufgeschichtet waren, lagen ununterscheidbar im Herzen des Feuers. Am nächsten Morgen würde nichts mehr da sein außer Asche und einigen versengten Metallstücken sowie geborstener Töpferware. Es war wenig für einen Mann, der sein Volk zwei Jahrzehnte lang geführt und zugesehen hatte, wie es unter seiner Herrschaft gewachsen und gediehen war.
    Die letzten Jahre waren gut zu den Crainnh gewesen. Die Elche hatten sich prächtig entwickelt und mehr Jungtiere hervorgebracht als je zuvor, und die Flüsse hatten von den vielen Fischen silbrig geglänzt. Sogar die Winter schienen weniger kalt gewesen und später gekommen zu sein, und sie schienen nicht so lange gedauert zu haben, obwohl die Ebene noch immer die Hälfte des Jahres über mit Schnee bedeckt war.
    Diese gute Zeit hatte Drwyn das Warten besonders schwer gemacht. Sein Vater war bei bedauerlich guter Gesundheit gewesen und schien mit jedem Winter nicht schwächer, sondern stärker zu werden. Aber Ytha hatte Drwyn zur Geduld geraten und gesagt, er solle abwarten. Und obwohl es drei Jahre gedauert hatte, während derer Drwyn das Haupt gesenkt gehalten und sich immer wieder auf die Zunge gebissen hatte, war ihm am Ende doch sein Wunsch gewährt worden. Der alte Bussard hatte zwischen den Schenkeln eines fünfzehnjährigen Mädchens seinen letzten Atemzug getan. Maegern hatte seine Seele in die Halle der Helden geführt, wo er nun zu ihrer Rechten saß und Uisca aus einem silbernen Becher trank. Und endlich würde Drwyn jetzt der Häuptling sein.
    Alles zu seiner Zeit, Jüngling , sagte eine Stimme in seinem Hinterkopf.
    Ytha beobachtete ihn durch das Feuer hindurch. Ihr Blick strich wie ein eisiger Wind über sein Gesicht und zerstreute den Hitzedunst zwischen ihnen, bis ihr Gesicht so klar zu erkennen war, als ob sie sich unmittelbar vor ihn gestellt hätte.
    Drwyn blinzelte erstaunt und biss die Zähne zusammen, als er begriff, dass er einem ihrer Tricks erlegen war. Ihre sonnengebräunte Stirn legte sich in Falten, als sie eine Braue hob und spöttisch die Mundwinkel verzog. Es war, als ob sie seine Geheimnisse kennen und dies sie belustigen würde. Er biss die Zähne noch fester zusammen. Er würde den Blick nicht abwenden.
    Ythas Mundwinkel zuckten wieder. Sie lachte ihn aus, verdammt! Bei der dunklen Göttin, das würde er nicht dulden!
    Ihre grünen, nun zu Grau verblassten Augen starrten ihn in der Dunkelheit an und zeigten nun keine Spur von Belustigung mehr. Sie waren so hart wie Achate und so scharf wie Frost. Vergiss nicht, wer hier der Königsmacher ist, Drwyn. Der Halsring der Crainnh gehört dir noch nicht .
    Er schluckte. Seine Hände waren schweißnass, aber es gelang ihm nicht, sie an seiner eng anliegenden Hose abzuwischen. Ythas Gegenwart in seinem Kopf war wie ein Gewicht, das gegen sein Hirn drückte. Er konnte sich ihr genauso wenig widersetzen, wie er fliegen
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