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Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Titel: Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere
Autoren: Marina Lewycka
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Angst, trägt ihn auf dem Rücksitz eines schwarzen Taxis zusammengerollt an den Ort, den er Zuhause nennt, von dem er sich jedoch auch bald verabschieden wird, wie er weiß.
    Als er sich endlich ins Bett geschleppt hat – diesmal nimmt er den Fahrstuhl, kein Treppensteigen für ihn! –, ist sein Knie schmerzhaft geschwollen. Morgen muss er zu Dr. Dhaliwal gehen.
    Bevor er sich hinlegt, gibt es noch eine Sache, die er erledigen muss. Er schenkt sich ein Glas Barolo ein, nimmt ein paar Ibuprofen und schaltet den Laptop an. Dann gibt er die URL der brasilianischen Immobilie ein. Sie ist noch da, zwinkert ihm hinter den Palmen zu, das Ganze für $ 499 000. Als er sich in Dr. Blacks Konto einloggt, sieht er, dass sein Guthaben auf £ 1,21 Millionen angestiegen ist. Er füllt das Überweisungsformular für den gesamten Betrag auf sein persönliches Konto aus.
    Der Laptop gibt ein langes Knattern von sich, als würde er mit den Zähnen knirschen. Der Bildschirm wird schwarz. Dann, nach wenigen Augenblicken, erscheint eine Fehlermeldung: »Transaktion verweigert.«
    Er versucht es noch mal mit der Hälfte des Betrags. »Transaktion verweigert.«
    Scheiße! Er weiß, dass das Geld da ist – er hat es gesehen. Oder besser gesagt, er hat große Zahlen gesehen, die Geld repräsentieren sollen. Vielleicht war alles nur eine Fata Morgana, ein Märchenschatz, kein echtes Geld. Doch wenn er bei der Bank nachfragt, werden sie unweigerlich Fragen stellen. Das Betrugsdezernat einschalten. Sein Herz klopft schneller – bumm! Bumm! Bumm!
    Er versucht es ein drittes Mal mit einem Betrag, der genau den Preis der brasilianischen Immobilie abdeckt. Es erscheint die Meldung: »Transaktion verweigert. Bitte kontaktieren Sie Ihre örtliche Bankfiliale.«
    Schade.

Doro
    Der Stimulator
    »Gehen wir zum Weihnachtsmann in der Oxfam Street?«, fragt Oolie.
    Der Zug nach London ist voll mit Weihnachtseinkäufern, die sich ins Großstadtgedränge stürzen wollen, und alle haben ihre Handtaschen umklammert und nuscheln in Handys, aber Doro hat ein gewichtigeres Ziel.
    »Nein. Wir werden Serge befreien.«
    Sie meint es natürlich nicht buchstäblich, sondern so, wie man einen verzauberten Träumer im Märchen von dem bösen Bann befreit. Im Gegensatz zum Vorweihnachtstrubel in der Innenstadt wirkt das Bankenviertel wie im Winterschlaf. Sie hat sich ein Stück Stadtplan aus dem Internet ausgedruckt und findet problemlos zu dem hohen Glasturm, in dem ihr Sohn gefangen gehalten wird.
    Sie betreten das hohe halogenerleuchtete Atrium. An einer Wand prangt ein Motto in vergoldeten Lettern. AUDACES FORTUNA IUVAT .
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragt eine der hübschen blonden Frauen am Empfang.
    »Ich suche nach meinem Sohn, Serge Free.«
    »Er heißt Sellerie.« Oolie grinst das Mädchen an, das zurücklächelt.
    »Wenn Sie sich kurz setzen möchten ...«
    Im nächsten Moment kommt ein großer Mann im dunklenAnzug vorbei, hält seinen Ausweis hoch und passiert die Sicherheitsschleuse. Doro packt Oolies Hand, drängt sich hinter ihm her und winkt der Empfangsdame freundlich zu. Sie folgen ihm in den Lift.
    »Wir suchen Sellerie.« Oolie probiert wieder ihr Lächeln aus.
    »In der Watling Street gibt es einen Supermarkt«, antwortet der Mann, ohne zu lächeln, und steigt im nächsten Stock aus.
    Doro beschließt, ihm nicht zu folgen, und weil sie nicht weiß, wohin sie eigentlich will, drückt sie den obersten Knopf. Der Glaskäfig rauscht nach oben, Etage für Etage. Kabel surren und zischen, rollen sich ein, rollen sich ab. Flure, Großraumbüros, Männer in Anzügen und Frauen in hohen Schuhen fliegen vorbei.
    »Ooh!«, japst Oolie. »Das macht Spaß!«
    Ganz oben steigen sie aus. Es ist niemand zu sehen. Es gibt zwar einen Empfangstisch, aber er ist nicht besetzt. Fahles Licht fällt durch die Glaswand vor ihnen. Sie sind fast auf gleicher Höhe mit den Wolken. Vom Fahrstuhl aus führt ein mit Teppich ausgelegter Flur in beide Richtungen, die eine Wand Glas, die andere mahagonigetäfelt mit einer Reihe von geschlossenen Mahagonitüren. Hinter ihnen schließt sich die Fahrstuhltür, und der Fahrstuhl verschwindet.
    »Wo ist Sellerie?«
    »Ich weiß es nicht. Psst!«
    Sie stehen da und lauschen. Ein regelmäßiges zischendes Geräusch, leise, aber eindringlich, kommt aus einer der Türen auf dem Flur.
    »Poppen die?«, fragt Oolie.
    »Kann sein.«
    Wer es auch ist, der Kerl scheint ein unglaubliches Stehvermögen zu haben.
    Plötzlich öffnet sich mit
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