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Die weiße Bestie: Thriller (German Edition)

Die weiße Bestie: Thriller (German Edition)

Titel: Die weiße Bestie: Thriller (German Edition)
Autoren: Helle Vincentz
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dazu gezwungen hatte, Yoga zu machen, schafften es nicht, ihren Körper zu beruhigen. Sie hob den Kopf und starrte in den großen Spiegel.
    Sie war zufrieden gewesen, als sie vor einer Stunde ihre Wohnung verlassen hatte. Mit dem dunklen, taillierten Hosenanzug, ihrem markanten Gesicht und dem geraden Rücken hatte sie der geähnelt, die sie sein wollte: eine Karrierefrau voller Power. Aber dieses Bild war in Rekordzeit verblasst. Jetzt hing ihr der Anzug wie auf einem Plastikbügel von den Schultern, die Nase wirkte nicht mehr markant, nur zu spitz, und der Rücken krümmte sich wieder. Man hatte ihr ein paarmal gesagt, sie würde der Schauspielerin Uma Thurman ähneln, aber sollte in dieser Aussage ein Fünkchen Wahrheit liegen, war es gerade jetzt eine erschöpfte Uma Thurman.
    Die dunklen Halbmonde unter ihren Augen schienen allmählich dauerhaft zu werden. Nicht dass sie einen Spiegel brauchte, um sie zu studieren– sie brauchte nur ihre Kollegen anzuschauen, die alle ähnliche Schatten entwickelt hatten.
    Die letzten Monate hatten bei allen Angestellten von Dana Oil Spuren hinterlassen.
    Wie bei vielen anderen Unternehmen war eine Kündigungsrunde angekündigt worden, und für Carolines Abteilung bedeutete das, dass mindestens drei der zehn Mitarbeiter demnächst ein » Rücktrittspaket « erhalten würden.
    Die Aussicht auf Kündigungen hatte in der Abteilung zu einer, milde gesagt, gedrückten Stimmung geführt. Die Angst hatte alle dahingehend verändert, von des eigenen Glückes Schmied zu sein, in ebenso hohem Maße des anderen Unglücks Schmied zu sein. Aufgaben, die man früher als eine Leistung der Abteilung bezeichnet hätte oder einen team effort, wie es bei Dana Oil hieß, wurden jetzt als Einzelleistung vorgelegt. Sah man die Chance, sich selbst zu loben und sich im gleichen Atemzug herabsetzend über einen Kollegen zu äußern, ergriff man diese.
    Alle Kollegen hatten ihre Gründe, ein Kündigungsschreiben zu fürchten.
    Für Jens, der den Hebe-Senk-Tisch gegenüber Caroline besetzte, würde eine Kündigung eine ernsthafte Bedrohung der Versorgerrolle bedeuten. Kind Nummer drei war unterwegs, mit einer Frau mit Teilzeitstelle und einem neu erworbenen, renovierungsbedürftigen Eigenheim in Emdrup ließ die Ökonomie weder Platz für ein ganzes noch ein halbes Jahr mit Tagegeld. Er war jedoch kürzlich erst zum Teamleiter befördert worden, also würde es ihn wohl nicht treffen.
    Die Sekretärin der Abteilung, Birthe, war überzeugt, sie würde niemals eine neue Stelle finden, wenn sie es war, die gefeuert werden würde. Mit einem Taufschein aus den 1950 ern und ohne formelle Ausbildung war Caroline geneigt, ihr recht zu geben.
    Für Caroline waren es weder das Geld noch die Angst, dauerhaft vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen zu sein, was den Knoten im Magen verursachte. Es war die Angst vor der Demütigung. Die Angst davor, wieder als zu schwach befunden zu werden.
    Es waren noch keine Namen auf das graue Papier geschrieben oder ein Datum festgesetzt worden, wann die Axt geschwungen werden sollte, aber an den Tischen in der Kantine herrschte Einigkeit darüber, dass es nicht mehr lange dauern könne. Vielleicht nächste Woche– vielleicht bereits diese?
    Vielleicht, grübelte sie, während sie spürte, wie der Knoten im Magen wuchs, lag die Axt bereit und wartete in Form eines A 4 -Bogens auf Markvarts Tisch, wenn sie am Nachmittag in sein Büro kommen würde. Er pflegte bei seinen Einberufungen zum Meeting immer eine Tagesordnung– oder zumindest eine Überschrift– zu schreiben, damit sie und die Kollegen sich vorbereiten konnten. Diese hier hieß nur » Einberufung zum Meeting « , und sie wusste, dass Leute zu früheren Zeitpunkten während solch unbetitelter Sitzungen gefeuert worden waren.
    Caroline betrachtete sich wieder im Toilettenspiegel. In dem Versuch, gleich groß wie ihre Freundinnen und, viel wichtiger, nicht größer als die Kerle zu sein, hatte sie während ihrer Teenagerjahre den Oberkörper nach vorn gebeugt. Die Behauptung ihrer Freundinnen, lange Beine und helle Haare seien eine Kombination, die viele Männer anziehend fänden, hatte sie erst später im Leben anerkannt– als sich die krumme Haltung festgebissen hatte und sich immer dann zeigte, wenn sich das Leben ihr widersetzte.
    Das Einzige, was gegenüber dem frühen Morgen gleich geblieben war, waren die schräg stehenden, grünen Augen und die Haare, selbstverständlich. Die hellen Haare fielen wie immer in eine exakt
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