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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau
Autoren: Philippa Gregory
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Schweins an den Eigentümer und eine Keule und etwas Lunge für die Angeklagte.
    Als nächstes kam ein Mann, dem vorgeworfen wurde, daß er die Straße nicht instand gehalten hätte, dann ein Dieb, eine Frau, die der üblen Nachrede angeklagt war, ein Kaufmann, der angeblich minderwertige Waren verkauft hatte, ein Mann, der wegen Überfalls angeklagt wurde. Alys schrieb die Namen und die Anklagen auf, und die Leute kamen und gingen, schnell und gelegentlich auch gerecht von Lord Hugh abgeurteilt.
    »War das alles?« fragte er, als der Fluß plötzlich ins Stocken geriet.
    Ein Offizier trat vor den Tisch. »Das waren die gewöhnlichen Fälle, Mylord«, sagte er. »Ich habe noch nicht erfahren, ob Pater Stephen die alte Frau von Bowes Moor anklagen will.«
    Alys schaute von ihrer Seite hoch.
    »Schickt jemand zu ihm«, sagte Lord Hugh irritiert. »Wenn er sich nicht sicher ist, kann die alte Frau freigelassen werden. Ich möchte nicht, daß sie aufgrund irgendwelcher theologischen Spitzfindigkeiten verfolgt wird.«
    Alys beugte den Kopf wieder über die Seite. Das Papier schien plötzlich sehr weiß, die Buchstaben sehr schwarz und spindelig. Sie schluckte an ihrer Hoffnung und preßte die Lippen zusammen, damit sie sich nicht in stummem Gebet bewegten, zu welchem Gott auch immer, Hauptsache, er erhörte sie.
    Hildebrande würde vielleicht freigelassen werden. Wenn man sie aus dem Schloß nach Castleton schickte, wäre es ein leichtes, ihr Geld und Kleidung zu schicken und sie auf den Weg zu bringen. Nach Süden vielleicht, oder sogar nach Osten an die Küste und weiter nach Frankreich. Inzwischen hatte sie sicher gemerkt, welcher Gefahr sie sich aussetzte. Sie war sicher verängstigt, redete Alys sich ein, vielleicht ein wenig grob behandelt worden. Es war ihr sicher eine Warnung gewesen, daß die Welt sich verändert hatte und daß jetzt kein Platz mehr war für die Frömmigkeit und Ergebenheit vor der alten Religion. Alys zupfte an der Feder ihres Gänsekiels. Hildebrande hatte sicher erfahren, daß die alten Zeiten endgültig vorbei waren. Vielleicht war sie jetzt dazu bereit, ihr Leben in Ruhe zu beschließen, irgendwo auf einer kleinen Farm. Alys könnte möglicherweise Leute finden, die sie aufnehmen und gut behandeln würden.
    Alys hob den Kopf, sie hörte die Wachen vor den Doppeltüren der Großen Halle rufen. Pater Stephen kam herein, gemessenen Schrittes und mit ernster Miene, mit einem Buch unter dem Arm.
    Alys spürte, wie ihr Puls schneller wurde. Sie musterte Stephens Gesicht. Sicherlich war er so langsam und nachdenklich, weil er berichten mußte, daß es keinen Fall zu verhandeln gäbe. Es war ihm nicht gelungen, Mutter Hildebrande zu belasten. Ihre Bildung und ihr flinker alter Geist waren zu viel für ihn gewesen. Vielleicht hatte sie seinen Reformierungsdrang erschüttert. Alys verkniff sich ein kleines Lächeln.
    »Bitte laßt die alte Frau vorführen, damit sie sich rechtfertigt«, sagte Stephen. Er schob Alys das Buch über den Tisch und bedeutete ihr, es zu öffnen. »Hier ist die Anklage.«
    Benommen öffnete Alys das Buch an der Stelle, die mit einem schwarzen Band markiert war. Der alte Lord beugte sich vor, um besser zu sehen. Pater Stephen ging zum Ende der Plattform, stieg die Treppe hoch und setzte sich auf einen Schemel neben Alys am Ende des Tisches.
    Alys schaute sich die Gerichtsprotokolle des Bischofs in dem schweren schwarzen Folianten an. Da waren Reihen über Reihen von Namen, die wegen aller möglichen Verbrechen angeklagt waren, von Ehebruch bis Ketzerei. Wo immer in einer Zeile »Ketzerei« stand, las sie in derselben Zeile »Schuldig«, und dann »Verbrannt«.
    »Verbrannt«, flüsterte Alys fassungslos.
    »Weißt du, wie du das schreiben mußt?« flüsterte Stephen ermunternd. »Und dieses andere Papier, die Rolle, ist ein Protokoll dessen, was heute nachmittag hier gesagt wird. Ich werde dir zunicken, wenn ich möchte, daß du etwas notierst. Du kannst englisch schreiben, wir können es später in gutes Latein übertragen.«
    »Macht Platz für die alte Frau von Bowes Moor«, sagte Lord Hugh ungeduldig. Er deutete auf die Leute in der Mitte der Halle. »Laßt sie doch endlich durch, verflixt nochmal«, sagte er wütend. »Wir können doch nicht den ganzen Tag damit vertrödeln.«
    Alys beugte sich zu Lord Hugh. »Ich will das nicht machen«, flehte sie ihn an. »Ich muß Euch bitten, mich zu entschuldigen.«
    Er warf einen Blick auf ihr weißes Gesicht. »Nicht jetzt, nicht
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