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Die Wahrheit der letzten Stunde

Die Wahrheit der letzten Stunde

Titel: Die Wahrheit der letzten Stunde
Autoren: Jodi Picoult
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Was ist mit diesen anderen Gelegenheiten, bei denen Sie ausgerastet sind? Sind das die Situationen, in denen Sie Ihrer Tochter wehtun?«
    »Ich tue Faith nicht weh. Ich habe ihr noch nie wehgetan.«
    »Mrs. White, Sie haben selbst gesagt, Sie wären eine emotional stabile Frau, und doch widerlegt dieses Band diese Behauptung ganz zweifelsfrei. Sie haben uns also unter Eid belogen, habe ich Recht?«
    »Nein…«
    »Ach kommen Sie, Mrs. White …«
    »Einspruch!«, ruft Joan dazwischen.
    »Stattgegeben. Sie haben Ihren Standpunkt ausreichend klargemacht, Herr Anwalt.«
    Metz lächelt mich an. »Sie sagen, Sie haben Ihrer Tochter nie körperlich wehgetan?«
    »Nie.«
    »Und Sie würden ihr auch nie seelisch wehtun?«
    »Richtig.«
    »Sie sind eine intelligente Frau. Sie haben die Zeugenaussagen hier im Saal verfolgt.«
    »Ja, das habe ich.«
    »Wenn Sie am Münchhausen-Syndrom leiden würden und ich Sie bezichtigen würde, Ihrer Tochter wehzutun, was würden Sie dann aller Wahrscheinlichkeit nach sagen?«
    Ich starre ihn an; brennender Magensaft steigt in meiner Kehle auf. »Ich würde es abstreiten.«
    »Und das wäre gelogen - genauso wie Sie bezüglich Ihrer emotionalen Stabilität gelogen haben. Ganz so wie Sie gelogen haben, als Sie sagten, Sie würden Faith beschützen.«
    »Ich lüge nicht, Mr. Metz«, sage ich mühsam beherrscht. »Ich bin keine Lügnerin. Und ich habe Faith sehr wohl beschützt. Genau das haben Sie mich auf diesem Band tun sehen - vielleicht auf etwas primitive Art und Weise, ja, aber es ging allein darum, mein Kind zu schützen. Darum habe ich sie auch aus der Schule genommen, als die anderen Kinder anfingen, sie zu hänseln. Darum bin ich auch heimlich mit ihr verreist, bevor ich Kenntnis von dieser Verhandlung hatte.«
    »Ach ja. Sie sind untergetaucht. Unterhalten wir uns doch ein wenig darüber. Sie sind verschwunden, einen Tag nachdem Ihr Ehemann Ihnen mitgeteilt hatte, dass er das Sorgerecht beantragen würde, nicht wahr?«
    »Ja, aber…«
    »Dann mussten Sie allerdings feststellen, dass Ihre Flucht nicht so geheim geblieben war, wie Sie es gerne gehabt hätten. Ian Fletcher ist es gelungen, Ihnen zu folgen. Wir haben bereits bewiesen, dass Mr. Fletcher es im Zeugenstand mit der Wahrheit nicht so genau genommen hat, und jetzt konnten wir uns auch von Ihrer Unaufrichtigkeit überzeugen. Vielleicht sind Sie ja so nett, uns - zur Abwechslung einmal ehrlich - zu erzählen, was nun wirklich in Kansas City passiert ist?«
     
    Was ist in Kansas City passiert?
    Ian weiß, dass das der Augenblick ist, da sich Mariah die Gelegenheit bietet, Rache zu nehmen. Erst der Zwischenfall mit McManus, jetzt das Videoband - auch wenn er persönlich nichts mit der Aushändigung der Kopie an Metz zu tun hatte, dürfte das Mariah ihm gegenüber nicht milder stimmen. Hinzu kommt, dass für sie der einfachste Weg, ihre Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, darin besteht, einen Beweis dafür zu erbringen, dass Faith tatsächlich Heilkräfte besitzt. Und dieser Beweis betrifft auch Ian oder genauer seinen Bruder.
    Auge um Auge. Bei diesem Gedanken muss Ian beinahe wider Willen lachen. Welche Ironie, dass ausgerechnet ihn biblische Gerechtigkeit zu Fall bringt. Aber ganz so wie er Mariahs Privatsphäre missachtet hat, hat sie jetzt die Chance, die seine an die Öffentlichkeit zu zerren.
    Ian krallt die Hände in die vordere Kante seines Stuhls und wappnet sich für das Jüngste Gericht.
     
    Was ist in Kansas City passiert?
    Malcolm Metz steht direkt vor ihr. Ich weiß, dass Joan zu seiner Rechten verzweifelt versucht, meinen Blick auf sich zu ziehen, um zu verhindern, dass ich etwas Dummes sage. Aber der einzige Mensch, den ich sehe, ist Ian mitten im Zuschauersaal.
    Ich denke an Dr. Fitzgerald und seine Aussage. Daran, wie Joan Ian in ihrem Büro angetroffen hat, wie dieser ihr zugearbeitet hat. Ich denke an den Ausdruck auf Ians Gesicht, als Allen McManus im Zeugenstand Platz genommen hat und als dieses grässliche Videoband angelaufen ist.
    Er ist nicht perfekt. Aber das bin ich auch nicht.
    Ich mustere Ian und überlege, ob ich wohl aussprechen kann, was ich denke. Dann richte ich den Blick wieder auf Malcolm Metz. »Gar nichts«, sage ich.
     
    Das Miststück lügt. Es steht ihr ins Gesicht geschrieben. Metz würde sein Leben darauf verwetten, dass irgendwie Fletchers Flug nach Kansas City den direkten Beweis dafür erbracht hat, dass das ganze Brimborium um Faith nur Lug und Trug ist, woraus sich ergibt, dass
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