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Die Waffen des Lichtboten

Die Waffen des Lichtboten

Titel: Die Waffen des Lichtboten
Autoren: Hans Kneifel
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Felsen. Im Kessel gab es Gräser, eine winzige Quelle und eine Vertiefung im Boden, in dem sich kristallklares Wasser sammelte.
    In dieser Nacht, beim Schein eines winzigen, rauchlosen Feuers, schliefen sie alle tief und lange. Die Wachen, die sich alle drei Stunden ablösten, hörten kein einziges Zeichen der Verfolgung. Die Frau und die Männer badeten in dem kalten Wasser, aßen und tranken in Ruhe, und auch die Tiere wurden von Sätteln und Lasten befreit und so gut versorgt, wie es nur irgend möglich war.
    »Und trotzdem«, sagte Luxon leise, der mit Alton in den Armen auf dem obersten Felsblock saß und das Gesicht des schlafenden Samed betrachtete, »ist es nichts anderes als ein kleiner Aufschub. Die Jagd geht weiter, wenn es Tag geworden ist.«
    Ein letzter nächtlicher Windstoß, begleitet von einem zögernden Schauer aus Regentropfen, rauschte über die Schlucht und löschte die aufzischenden Reste des Feuers. Luxon sah zwischen den Wolken einige Sterne auftauchen. Für ihn stellten sie aber keine Zeichen der Hoffnung dar. Vielleicht war er, wenn er wieder aufwachte, ein wenig zuversichtlicher geworden. Noch immer hatte er seinen Mut, seine Entschlusskraft und die Waffen des Lichtboten.
    *
    Die Hufe der Pferde und die scharfen Klauen des Orhakos polterten auf dem feinen Geröll der Schlucht. Das Prusten und Schnauben, das Knarren der Sättel und das Klirren der Waffen waren seit Stunden die einzigen Geräusche. Luxon führte die Gruppe an, neben ihm ritt der Pfader. Obwohl die Menschen ausgeschlafen und die Reittiere ausgeruht waren, kamen die Überlebenden des Massakers nicht schnell genug voran. Die Schlucht, in die sie ausgewichen waren, wand sich im Zickzack abseits der Pilgerstraße nach Süden. Seit sie im ersten Tageslicht aufgebrochen waren, hatten sie keinen einzigen Menschen gesehen.
    Einige Geier schwebten noch im grauen Himmel und verschwanden aus dem Blickfeld der Reiter, als sie in die Schlucht einritten. Aus den Wänden fielen in bestimmten Abständen kleine Steinbrocken und Felssplitter. Sie zerbarsten klirrend zwischen den Pferden im Schutt. Luxon hob immer wieder den Kopf und lauschte nach vorn und nach hinten. Seine Augen beobachteten die Ränder der Schlucht über ihnen. Aber nur Tiere huschten dort umher, einige Skorpione turnten durch den Fels, und Spinnen ließen sich an ihren silbernen Fäden von den hervorstehenden Wurzeln und Ästen kleiner Bäume herunter.
    »Wir haben es wieder einmal geschafft«, sagte Socorra grimmig. »Wir sind ihnen für heute entkommen. Meinst du, dass sie uns suchen?«
    Die Runzeln in den Gesichtern von Kalathee und Luxon waren längst vergangen. Beide sahen sie wieder genau so aus, wie Algajar sie den Kriegern des Shallad geschildert hatte. Jeder würde sie sofort erkennen.
    »Ich bin sicher, dass sie uns suchen. Es ist noch die Frage, ob sie genau wissen, dass wir nicht unter den Überfallenen sind.«
    »Dass keine Frau unter den Toten war, haben sie sicher festgestellt!« murmelte Socorra.
    »Und sie kennen die Wege und die Verstecke abseits der Straße weit besser als du. Ist es nicht so?« fragte Luxon zurück.
    »Ich fürchte, dass es sich so verhält«, antwortete Socorra. »Bisher haben sie uns noch nicht gefunden.«
    Socorra wusste, dass die Schlucht nach einem Ritt von mehr als fünf Stunden anstieg und in flacheres Gelände überging. Steppenartige Abschnitte schlossen sich an und immer wieder Felsen, Höhlen, Schluchten, Hänge und Berge. Aber auch Socorra kannte nicht jeden einzelnen Pfad. Er hob den Arm und winkte zu Syreno nach hinten.
    »He, Rebell!« rief er. »Kannst du uns nicht helfen, schneller hier herauszukommen?«
    »Wir sind auf dem schnellsten und kürzesten Weg. Ich kenne die Verstecke erst wieder am Ende dieser Schlucht. Ich habe erlebt, wie nach einem langen Regen hier ein reißender Fluss schäumte.«
    »Mir wäre ein eiskalter Wasserfall lieber als die Reiter des Shallad«, meinte Luxon und wandte den Kopf, um Kalathee ein aufmunterndes Lächeln zuzuwerfen. Hinter der zurückliegenden Biegung der Schlucht blitzte etwas auf.
    Luxon erstarrte, seine Hand fuhr zum Schwert. Sein Blick irrte an Kalathee und den anderen Reitern vorbei, an den Federn und den Laufbeinen des Orhakos. Um die Biegung kam ein Reitvogel mit ausgestrecktem Hals und weit aufgerissenem Hakenschnabel. Auf seinem Rücken saß ein Krieger, auf dessen Brust das Zeichen des Shallad zu sehen war, der Schwertmond.
    »Sie haben uns entdeckt!« rief Luxon und gab
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