Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman
Autoren: Richard Duebell
Vom Netzwerk:
wollte es nicht, aber dann drehte er sich doch um.
    Kaiser Rudolf hatte ein mächtiges Pult für die Teufelsbibel anfertigen lassen. Ein Eisenkäfig war darum herum angebracht, eine kurze Treppe wendelte sich zu ihm empor; es sah aus wie die Kanzel in einer Kirche, in der nicht Gott, sondern abseitigen Experimenten gehuldigt wurde. Sebastiàn erinnerte sich an die Gelegenheiten, bei denen er die Teufelsbibel auf dem Lesepult gesehen hatte: Das weiße Leder schien von sich aus zu schimmern, die metallenen Beschläge sahen darauf aus wie schwarze Tatzenspuren, das ebenfalls metallene Ornament in der Mitte des Deckels wirkte wie ein magischer Schlüssel zu einer Welt jenseits der Realität. Er hatte nie ein ähnlich großes oder gar noch größeres Buch gesehen. Für jemanden wie ihn, der sich auf Zehenspitzen stellen musste, um über eine Tischkante zu spähen, dräute es auf dem Lesepult wie eine mächtige, schimmernde Klippe. Sebastiàn hörte das Dröhnen in seinen Ohren, das er immer hörte, wenn er hier war; es schien von der Teufelsbibel zu kommen, aber es war tatsächlich nur das Blut, das in seinem Schädel pochte.
    »Leer«, sagte der Anführer der Mönche.
    Sebastiàn wies zum Fuß der unheiligen Gebetskanzel, wo eine gewaltige Truhe stand. Ein Kettenschloss hing davor. Unaufgefordert watschelte er zur Truhe und sperrte das Schloss auf. Ein langer Arm fasste an ihm vorbei und öffnete den Deckel. Etwas leuchtete matt in der Finsternis des Truheninneren, Beschläge funkelten. Sebastiàn wurde schlecht.
    »Gute Arbeit«, sagte der Anführer der Mönche. »Ihr könnt gehen, Zwerge.«
    Noch im Umdrehen hörte Sebastiàn das metallene Geräusch, wie eine Sense, die ein zu dickes Büschel Gras mäht. Miguel stand vor Sebastiàn, und einen gähnenden Augenblick lang fragte Sebastiàn sich verwirrt, was anders an Miguel war als sonst, dann wusste er es. Miguels Beine knickten ein, soweit seine verkrüppelten, steifen Gelenke es zuließen, dann fiel er seitlich um wie eine Holzpuppe. Aus dem Halsstumpfschoss ein langer, schwarzer Strahl Blut. Miguels Kopf kam am Fuß des Pults zur Ruhe.
    Stille.
    Einen Wimpernschlag lang herrschte Stille, einen Wimpernschlag lang, der sich bis in die Ewigkeit ausdehnte.
    Miguels Blut prasselte auf den Steinboden nieder wie ein Regenschauer.
    Dann begann Brigitta zu kreischen, und die Stille zerstob in panisch wirbelnder Bewegung.
    Fünf kleine, stämmige Gestalten rannten kopflos im Labor umher. Die falschen Mönche fluchten und schwangen die Klingen, aber die Todesangst machte die kurzen Beine wieselflink, und das zum Bersten mit Tischen, Bänken und Trögen vollgestopfte Labor hinderte die großen Männer daran, ihren Vorteil auszuspielen. Ein Rapier zuckte einem Flüchtling hinterher, schlug aber in die Kante eines Tisches statt in dessen Rücken. Die Phiolen und Kolben darauf klirrten und tanzten, fielen herunter und zerplatzten, als der Besitzer des Rapiers hastig versuchte, es aus dem Holz zu zerren. Funken sprühten auf, als eine andere Klinge über einen Steintrog schrammte und die bunte Gestalt, die hineingekrabbelt war, verfehlte. Brigitta kreischte wie von Sinnen, während sie unter Tischen hindurchschlüpfte und mit wedelnden Ärmchen versuchte, die Leiter zu erreichen. Jemand rannte in vollem Lauf gegen das Pult mit der Teufelsbibel, prallte zurück und fiel zu Boden, und ein Rapier zuckte an der Stelle durch die Luft, wo eben noch ein fliehender Zwerg gestanden hatte.
    »Macht die Missgeburten fertig!«, schrie der Anführer der Mönche, stolperte über den kopflosen Leib Miguels und fiel gegen die Truhe. Seine Kapuze rutschte zurück, und Sebastiàn, der wie erstarrt inmitten des Chaos stand, sah ein von einem schwarzen Kopf- und Halstuch verhülltes Gesicht, in dem nur die Augen nicht vermummt waren. Ebendiese Augen starrten auf das weiße Leder der Teufelsbibel, nur eine Handbreit entfernt. Sebastiàn sah Gier und Angst gleichermaßen in ihnen, dann wurden sie blind vor Zorn. Der falsche Mönch fuhr herum und trat gegen Miguels Körper, so dass dieser unter einen Labortisch rutschte. Er hob das Schwert und machte einen riesigen Schritt auf Sebastiàn zu, doch jemand – Hänschen, Sebastiàn war sicher, es war Hänschen, der so dick war, dass er bei einer Aufführung einmal in dem Drahtkorb unter der Pastete stecken geblieben war, aus der er hätte herausspringen sollen – warf sich gegen die Beine des Mannes und brachte ihn zum Wanken. Eine Stiefelsohle glitt in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher