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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman
Autoren: Richard Duebell
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schwarzen Schnauz- und Kinnbart und einem Gehänge, das an einem normal großen Mann schon mächtig gewesen wäre und das den ersten Grund für seinen Spitznamen darstellte … das Gelächter ringsherum und die Angst, dass ihn die kreischenden Weiber danebenstürzen ließen, vermischt mit der Erregung, wieder und wieder hochgeschleudert zu werden, zu fliegen …
    Er hörte Gebrüll und wunderte sich über den Lärm, bis er merkte, dass er ihn selbst verursachte. Überrascht erkannte er, dass er tatsächlich nichts so sehr wollte wie leben! Er vernahm die Stimme seiner Mutter, die sagte: »Mein kleiner, kleiner Glücksstern!«, und ihn an sich drückte, während Tränen ihre Wangen hinunterliefen und er sich wunderte, worüber sie traurig war, er war doch gesund …
    Er hörte den Wind brausen.
    Ein winziger Mann, der dem Tod entgegenstürzte.
    2
    Reichskanzler Zdene ù k von Lobkowicz gelangte beim Eingang zur kaiserlichen Wunderkammer an, als sich die Soldaten eben davor postierten. Er keuchte.
    Wer glaubte, dass mit dem Tod eines Kaisers das Leben am Hof zu einem trauervollen Stillstand kam, war gut beraten, diese Theorie nicht ihm zu präsentieren; der kleine, harmlos aussehende Mann mit dem gesträubten Schnurrbart und dem glatt nach hinten gekämmten Haar hätte ihn vermutlich angesprungen. Zdenk von Lobkowicz war durch all die Jahre hindurch der höchste Beamte im Reich gewesen – Jahre, dievom Verfall Kaiser Rudolfs und von den plumpen Versuchen seines Bruders Matthias, nach der Reichskrone zu greifen, geprägt gewesen waren. Diese Erfahrung hatte ihn ein großes Maß an Verachtung gegenüber fast allen Kreaturen des Hofs gelehrt, die von Gott angeblich auserwählten Herren des Reichs absolut eingeschlossen. Er hatte versucht, dieser Verachtung mit höchster eigener Effizienz zu begegnen, um sie nicht auch noch eines Tages zu verspüren, während er gerade in den Spiegel blickte.
    Nur gegenüber einem hochrangigen Mann im Dienst des Reichs hatte er sich Respekt bewahrt: Melchior Khlesl. Der alte Kardinal und Minister war zwar eigentlich als Unterstützer von Rudolfs Bruder Matthias im feindlichen Lager gewesen, doch in diesem Sumpf aus Hofschranzentum, Faulheit und Wichtigtuerei mussten die beiden einzigen kompetenten Beamten notgedrungen Achtung voreinander entwickeln, selbst wenn sie politische Gegner waren.
    Der Kreuzherren-Hochmeister und Prager Weihbischof Jan Lohelius stand neben den Soldaten und trat von einem Bein auf das andere; der alte Mann hatte sich eine Soutane angezogen statt des Bischofsstaats und sah darin aus wie ein fetter, gichtkranker Dorfpfarrer; er war geradezu leuchtend blass. Ein junger Mann lehnte gegenüber neben einem Fenster an der Wand und wirkte so blasiert wie alle jungen Höflinge, die ihre verzweifelte Abhängigkeit von der Gunst eines einfältigen hohen Beamten oder einer ältlichen, nach junger Haut hungernden Hofdame mit Arroganz kaschierten. Ein zweiter Blick in die blauen Augen des jungen Mannes ließ ihn ahnen, dass er hier möglicherweise mit seiner Beurteilung danebenlag, aber warum sich weiter um einen Menschen Gedanken machen, der von keinerlei Wichtigkeit mehr war, wenn diese Aufgabe hier abgeschlossen war, und der mit der Auswahl seiner Kleiderfarben (gelb und rot) zu solch einer Zeit schlechten Geschmack bewies?
    Er wandte sich an Lohelius. »Hat es geklappt?«, flüsterte er.
    Hochmeister Lohelius nickte wie jemand, der nicht mehr damit aufhören kann.
    Lobkowicz forschte in den Taschen seiner Kleidung und fand zwei kleine metallene Kapseln, die mit abblätternder Farbe bemalt waren – rot und grün. Er starrte die grüne Kapsel an.
    »Reichskanzler …«, wisperte Lohelius.
    Lobkowicz zögerte, dann öffnete er die Kapsel und nahm das kleine Papierband heraus, das darin eingerollt war. Er hatte es in den letzten Stunden bestimmt ein Dutzend Mal herausgenommen, gelesen, wieder hineingesteckt und dann erneut herausgenommen und gelesen, um sicherzustellen, dass er die richtige Nachricht in die richtige Kapsel getan hatte. Er spähte auf die winzige Schrift. Arcimboldo hat das Gebäude verlassen.
    »Reichskanzler …«
    »Was denn, Ehrwürden?«
    »Es hat geklappt, aber trotzdem … etwas ist geschehen …«
    »Was?« Lobkowicz versuchte, die Papierrolle wieder in die Kapsel zu stopfen. Er stellte fest, dass seine Finger zu stark zitterten, und verfluchte sich dafür. Irgendwo von jenseits des Fensters, das in die Gärten hinabführte, kamen gedämpfter
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