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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman
Autoren: Richard Duebell
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stieß der falsche Mönch hervor, der das Glas aus dem Regal gekippt hatte. Sein Blick fiel auf die sechs Zwerge, die sich unwillkürlich zusammendrängten.
    »Weiter«, sagte der Anführer der Mönche. »Wir vertrödeln nur Zeit.«
    Sebastiàn führte sie tiefer in das Kuriositätenkabinett hinein. Er hatte keine andere Wahl. Er hatte auch keine andere Wahl gehabt, als das böse Spiel der Männer mitzuspielen, als sie plötzlich in dem einsamen Flur aufgetaucht waren, in den Sebastiàn sich zurückgezogen hatte, um Kaiser Rudolfs Tod beweinen zu können. Sie waren zu zweit gewesen. Zuerst hatte er sie für wirkliche Mönche gehalten, dann hatte er dasKnallen der Stiefelabsätze gehört, einen Blick in die dunklen Kapuzen geworfen – und zu fliehen versucht. Der Anführer der Männer hatte ihn erwischt und mit einer Hand hochgehoben, ihm mit der anderen den Mund zugehalten; dann hatten sie ihn in eine der vielen Kammern geschleppt, und er hatte sich den anderen Hofzwergen gegenübergesehen und zwei weiteren Mönchen, die Sebastiàns Leidensgenossen mit gezückten Klingen in Schach gehalten hatten.
    »Du weißt, wo der Kaiser die Teufelsbibel versteckt hält?«, hatte der Anführer ihm ins Ohr geflüstert. Sebastiàn hatte geschwiegen. Der Anführer hatte ihn geschüttelt. Sebastiàn hatte weiterhin geschwiegen und gefühlt, wie seine Blase vor Angst nachzugeben gedroht hatte. Der Anführer hatte eine kleine Kopfbewegung gemacht, und einer seiner Männer hatte den ihm zunächst stehenden Zwerg gepackt – es war zufällig Miguel gewesen, mit dem Sebastiàn schon am spanischen Königshof zusammen gewesen war – und mit dem Rapier ausgeholt.
    Sebastiàn hatte wie wild genickt, halb erstickt vom eigenen trommelnden Herzschlag.
    »In einer Truhe in der Wunderkammer, verschlossen mit einer Kette? Und den Schlüssel zur Truhe trägt der Kaiser am Leib?«
    Resigniert hatte er ein weiteres Mal genickt.
    »Der Kaiser liegt aufgebahrt auf seinem Bett. Glaubst du, du kommst an den Schlüssel ran, Toro?« Die Stimme des Anführers hatte erregt geklungen. Dass er Sebastiàns Spitznamen kannte, wies ihn als Mitglied von Rudolfs Hofstaat aus. Die Stimme war Sebastiàn dennoch unbekannt gewesen.
    Er hatte erneut genickt. Und dann war er losgegangen, hatte seine Aufgabe erfüllt, weil niemand auf die kleine, täppisch vorwärtsstapfende Gestalt geachtet hatte, die sich zum Bett des toten Kaisers vorgearbeitet hatte, während die Würdenträger und Hofbeamten alle in einer Ecke gestanden und flüsternd beratschlagt hatten. Danach war er in die kleine Kammer zurückgekehrt, wider alle Erwartungen hoffend, dass die verkleideten Männer ihn und seine Kameraden freilassen würden.
    Die Gruppe blieb erneut stehen, als sie im letzten der Räume angelangt war. Hier hatte Rudolf all die Dinge gehortet, die ihn am meisten faszinierten. Bezoare, mit Gold überzogen, in Silber gefasst oder zu Kelchen umgearbeitet, lagen und standen in Regalen. Ein präparierter Hase mit einem Kopf und zwei Körpern, einer verkrüppelter als der andere, und ein zweiköpfiges Kalb starrten ihre Besucher mit Glasaugen an. Das Laternenlicht strich hastig über die Ausstellungsstücke. Ein äußerlich unscheinbarer Stock glitt aus den Schatten; der Kaiser war überzeugt davon gewesen, dass es sich um den originalen Stock Mosis handelte, so wie er auch geglaubt hatte, dass die lange elfenbeinerne Spindel in ihrer opulenten Gold- und Juwelenfassung das Horn eines Einhorns gewesen sei. Mechanische Spielzeuge glitzerten matt; das Gewicht der vielen Menschen in der Kammer verschob ein paar Holzbohlen, die nicht ganz abgelaufene Feder eines der Automaten reagierte, und mit lautem Schnarren setzte sich eine metallene Diana auf einem ebenso metallenen Zentauren in Bewegung und rollte ein paar Zoll weit über den Boden. Einer der falschen Mönche fluchte.
    Sebastiàn deutete auf einen Ring im Boden. Die Laterne beleuchtete die feinen Umrisse einer meisterlich eingepassten Falltür. Als sie geöffnet war, drangen die scharfen Dünste von Schwefel und Salpeter, der Staubgeruch von getrockneten Pilzen, Totenmoos und anderen Flechten, die Düfte von Rosenöl, Leinöl, Terpentin und Sandelholz nach oben, schwimmend auf einer undefinierbaren, kaum wahrnehmbaren Note von Heimlichkeit, Verstohlenheit und schwarzer Magie.
    Sebastiàn und die anderen wurden gezwungen, die Leiter als Erste hinunterzusteigen. Er hörte, wie einer von den Männern die Luft durch die Zähne saugte. Er
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