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Die vierte Todsuende

Die vierte Todsuende

Titel: Die vierte Todsuende
Autoren: Lawrence Sanders
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Delaney mampfte mit gutem Appetit.
    »Hast du heute was vor« fragte er seine Frau.
    »Rebecca und ich wollen einkaufen gehen. Wir bleiben den Tag über in der Stadt und essen irgendwo was. Ich besorge Weihnachtskarten und Geschenke für die Kinder.«
    »Sehr schön.«
    »Was wünschst du dir eigentlich zu Weihnachten?«
    »Ich? Du weißt doch, ich bin der Mann, der alles hat.«
    »Denkst du. Wie wäre es mit einem schönen Zigarrenetui von Dunhill?«
    Er bedachte diesen Vorschlag. »Nicht übel. Meins geht allmählich kaputt. Dunkles marokkanisches Leder könnte mir gefallen. Und du? Was wünschst du dir?«
    »Eine Überraschung. Nicht wieder Parfüm aus der nächsten Drogerie. Willst du denn auch einkaufen gehen?«
    »Nein, nein. Ich bleibe hübsch zu Hause. Suarez will irgendwann anrufen, und das möchte ich nicht verpassen.«
    »Und worauf hättest du zum Abendessen Appetit?«
    »Wie wäre es mit Huhn in Sahnesoße? Oder Schweinefilet…«
    »… mit Kartoffelbrei und jungen Erbsen?« unterbrach sie ihn. »Eine hübsche, koschere Mahlzeit.«
    »Ah bah — hab ich nicht gerade eben erst ein echt jüdisches Frühstück runter gewürgt? Überwinde dich mal.«
    »Gewürgt?« höhnte sie. »Verschlungen trifft es wohl eher!«
    Gerade da klingelte das Telefon, und er ging an den Apparat.
    »Delaney…, Morgen, Suarez… So? Haben Sie? Und wie hat er reagiert?… Gut. Sehr gut. Hab ich mir gedacht. Ich warte hier auf die beiden. Bis später dann.«
    Er legte auf und wandte sich an Monica. »Thorsen ist mit allem einverstanden. Ich kriege den Wagen, und Doppel-Jason und Boone werden ebenfalls für mich abgestellt. Im Moment fotokopieren sie die Akten und kommen noch am Vormittag damit her.«
    »Darf ich Rebecca sagen, dass…«
    »Boone hat es ihr bestimmt schon gesagt.«
    »Freust du dich, Edward?«
    »Freuen?« fragte er überrascht. »Na, sagen wir, ich bin zufrieden. Oder ja, ich gebe es zu, es freut mich, dass ich wieder mal richtige Arbeit bekomme.«
    »Du wirst gebraucht, Edward.«
    »Aber ich kann für nichts garantieren, das habe ich Thorsen und Suarez gesagt.«
    »Trotzdem, du hörst schon wieder die Trompete, du altes Schlachtross.«
    Er zuckte die Achseln.
    »Du wirst den Fall schon lösen.«
    »Den Fall lösen? Da kannst du mal sehen, wie altmodisch du bist. ›Fälle‹ werden nicht mehr ›gelöst‹. Journalisten machen keine Schlagzeilen mehr. Das ist lange her.«
    »Na, wenn du mich für so altmodisch hältst, kann ich ja gehen. Und du darfst dafür abwaschen.«
    »Gib ordentlich Geld aus. Amüsier dich.«
    Und schon machte er sich ans Aufräumen. Als sie ging, rief er ihr noch einen Gruß hinterher, trudelte dann in sein Arbeitszimmer, wo er sich der Morgenzeitung und seiner Zigarre widmete.
    Die Zeitung legte er allerdings bald weg und verfiel in ein nicht unangenehmes Brüten. Trompete? Altes Schlachtross? Schon, schon, aber das war denn doch nicht alles.
    Täglich sterben Hunderte, ja Tausende eines gewaltsamen Todes, überlegte er, durch Krieg, Aufruhr, terroristische Anschläge, Verkehrsunfälle und weiß Gott was alles, weshalb also bin ich so darauf versessen, den Mord an einer einzelnen Person aufzuklären? Ellerbee ist doch nur einer von vielen. Aber es gibt da einen Unterschied: Ich kann Kriege und Gewalt im Großen nicht verhindern, doch den Tod eines einzelnen, den kann ich rächen. Niemand sollte durch Mord sein vorzeitiges Ende finden.
    Dann fragte er sich aber doch, ob das nicht an den Haaren herbeigezogene Rechtfertigungen für sein Verhalten waren? Wurde er nicht ebenso wie Suarez von einem ganzen Bündel von Motiven geleitet? Ach was, sagte er sich dann, lassen wir mal den ganzen Schmus beiseite. Es blieb doch die Tatsache, dass jemand umgebracht worden, dass er, Delaney, ein Bulle war und dass es ihn juckte, den Täter aufzuspüren. Damit war seine Rolle klar und eindeutig umrissen, und damit durfte er sich wohl zufriedengeben.
    Er wurde mit Zigarre und Zeitung etwa zur gleichen Zeit fertig. Im Lokalteil der Times hatte er gelesen, dass Henry Ellerbee, der Vater des Opfers, und Dr. Diane Ellerbee, seine Witwe, Vorwürfe gegen die Kriminalpolizei richteten, weil die Aufklärung des Falles keine Fortschritte mache. Der derzeitige Chef der Kriminalpolizei, Suarez, wurde zitiert; er hatte von »vielversprechenden Hinweisen« gesprochen und erwartete »in Kürze einen positiven Abschluss« der Ermittlungen. Delaney wusste nur zu gut, dass dies die Verlautbarung einer ratlosen Behörde war
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