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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel
Autoren: Anne Perry
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lediglich darlegen, wie es sich verhielt, und das haben Sie meiner Ansicht nach in bewundernswerter Weise getan. Wir sind Ihnen zu Dank verpflichtet.« Betont gemächlich drehte er sich um und ließ Gleave vortreten.
    Angespannt wandte sich Pitt diesem zu und wartete auf den Angriff, der unbedingt kommen musste.
    »Nach der Mittagspause, würde ich vorschlagen, my Lord«, sagte Gleave mit gewinnendem Lächeln. Die Vorfreude auf seinem angespannten Gesicht war unverkennbar. »Ich werde weit länger brauchen als die kurze Viertelstunde, die uns bis dahin noch zur Verfügung steht.«
    Dieses Manöver überraschte Pitt nicht. Juster hatte immer wieder gesagt, dass der Prozess mit Pitts Aussagen stand und fiel und er daher damit rechnen müsse, dass sich Gleave nach Kräften bemühen würde, seine Indizien in der Luft zu zerreißen. Was ihm bevorstand, beschäftigte ihn so sehr, dass ihm der Lammbraten mit Gemüse in der Gaststätte gleich um die Ecke vom Kriminalgericht nicht so recht schmeckte, und er ließ die Hälfte übrig, was in keiner Weise seiner Gewohnheit entsprach.
    »Er wird versuchen, alles ins Lächerliche zu ziehen oder zu bestreiten«, sagte Juster, der Pitt gegenüber am Tisch saß. Auch er schien kaum Appetit zu haben. Seine Hand zuckte auf der polierten Tischfläche, als hindere ihn lediglich die Höflichkeit daran, nervös darauf herumzutrommeln. »Das Hausmädchen dürfte ihm kaum gewachsen sein. Sie hat schon genug Angst, dass sie vor Gericht aussagen muss, ohne dass noch ein ›Herr‹ ihre Intelligenz und Ehrlichkeit in Zweifel zieht. Wenn er ihr sagt, dass sie Montag nicht von Dienstag unterscheiden kann, stimmt sie ihm höchstwahrscheinlich sogar zu.«
    Pitt nahm einen kleinen Schluck aus seinem Apfelweinglas. »Bei dem Butler wird er damit auf Granit beißen.«
    »Das ist mir klar«, gab ihm Juster Recht und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Gleave wird sich das auch sagen und es daher auf andere Weise probieren. Ich an seiner Stelle würde dem Mann beispielsweise schmeicheln, ihn ins Vertrauen ziehen, eine Möglichkeit finden, ihm klarzumachen, dass es Fetters’ Andenken schaden würde, als Mordopfer zu gelten, während das bei einem Unfall nicht der Fall sei. Ich bin selbst als Strafverteidiger zugelassen und kann mich daher gut in Gleaves Lage versetzen. Ich würde darauf wetten, dass er genau so vorgeht. Schließlich ist es sein Beruf, das Wesen eines Menschen auszuloten und Schwächen aufzudecken.«
    Pitt hätte das gern bestritten, wusste aber, dass der Vertreter der Anklage Recht hatte. Es war Gleaves breitem Gesicht anzusehen, dass ihm nichts entging und er eine Schwachstelle wittern konnte wie ein Bluthund eine Fährte. Er verstand sich auf alles, was nötig war, konnte einem Zeugen schöntun und drohen, konnte sondieren und die Widerstandskraft schwächen.
    Dieses Bewusstsein machte Pitt wütend. Seine Appetitlosigkeit ging ebenso auf Empörung wie auf Sorge vor einem Fehlschlag zurück. Seiner festen Überzeugung nach hatte Adinett Martin Fetters ermordet, und wenn es ihm nicht gelang, die Geschworenen davon zu überzeugen, würde der Täter das Gericht nicht nur als freier Mann verlassen, sondern auch mit untadeligem Ruf.
    Er kehrte in den Zeugenstand zurück, entschlossen, dem Angriff standzuhalten, mit dem er rechnete, sich zu beherrschen und Gleave keine Gelegenheit zu geben, ihn zu manipulieren oder in Verlegenheit zu bringen.
    »Nun, Mr. Pitt«, begann Gleave, der sich mit leicht gespreizten Beinen vor ihm aufgebaut hatte. »Dann wollen wir uns doch einmal Ihre sonderbare Beweiskette näher ansehen, der Sie so viel Bedeutung beimessen und aus der Sie eine solche Schauergeschichte herauslesen.« Er zögerte, aber nur, um seine Worte wirken zu lassen. Die Geschworenen sollten Gelegenheit haben, seinen Sarkasmus zu erfassen, und sich darauf einstellen, dass er genau in diesem Stil weitermachen würde. »Doktor Ibbs hat Sie also gerufen, ein Mann, der Sie mehr oder weniger zu bewundern scheint.«
    Fast hätte Pitt eine scharfe Erwiderung von sich gegeben, merkte aber noch rechtzeitig, dass Gleave genau darauf hinauswollte. Diese Falle war leicht zu erkennen.
    »Offensichtlich wollte er wohl auf keinen Fall irgendwelche bedeutsamen Tatsachen außer Acht lassen«, fuhr Gleave mit kaum wahrnehmbarem Nicken fort und verzog den Mund ein wenig. »Entweder war er nervös und hat seinen eigenen Fähigkeiten nicht getraut, oder er wollte Unfrieden stiften, indem er den Eindruck
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