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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel
Autoren: Anne Perry
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dem Kopf an die Regalkante gestoßen. Die Wucht des Aufpralls, hinter der sein ganzes Körpergewicht stand, habe nicht nur die Abschürfungen und eine Ohnmacht hervorgerufen, sondern ihm auch die Halswirbelsäule gebrochen. Ich habe überlegt, dass die Bewusstlosigkeit ebenso gut Ergebnis eines Schlags auf den Schädel sein konnte. Anschließend konnte der Täter alles im Raum so angeordnet haben, dass es den Anschein erweckte, als wäre Fetters gestürzt.« Man hörte, wie manche Zuhörer den Atem scharf einsogen. Es klang wie ein lautes Rascheln. Eine Frau stöhnte auf.
    Einer der Geschworenen beugte sich mit gerunzelter Stirn vor.
    Während Pitt weitersprach, merkte er, dass seine Angespanntheit zunahm. Schweiß bedeckte seine Handflächen.
    Im gleichen Ton wie zuvor erläuterte er. »Jemand konnte Bücher, die seiner Interessenlage entsprachen, herausgezogen, auf den Boden geworfen und die Lücken durch Bücher vom obersten Bord aufgefüllt haben, damit es so aussah, als habe Fetters die Leiter benutzen müssen. Dann war der Sessel nahe an die Ecke herangeschoben und die Leiche so hingelegt worden, dass er sie zur Hälfte verbarg.«
    Gleave sah mit übertrieben ungläubiger Miene erst Pitt, dann Juster und schließlich die Geschworenen an. Eine glänzende schauspielerische Leistung. Natürlich wusste er längst, was Pitt sagen würde.
    Juster zuckte die Achseln. »Und wer soll das gewesen sein?«, erkundigte er sich schließlich. »Mr. Adinett war bereits gegangen, und als der Butler die Bibliothek betrat, befand sich außer Mr. Fetters niemand darin. Zweifeln Sie die Aussage des Butlers etwa an?«
    Pitt wählte seine Worte sorgfältig. »Ich bin überzeugt, dass er die Wahrheit gesagt hat, soweit sie ihm bekannt war.«
    Gleave sprang auf. »My Lord, Oberinspektor Pitts Annahmen mit Bezug auf die Wahrheitsliebe des Butlers gehören nicht zur Sache und sind hier unangebracht. Die Geschworenen hatten selbst Gelegenheit, die Aussage des Butlers zu hören und sich ein Bild von dessen Wahrheitsliebe zu machen.«
    Ein tiefes Rot trat auf Justers Wangen. Es kostete ihn sichtlich Mühe, sich zu beherrschen. »Mr. Pitt, wir wollen nicht weiter zu ergründen versuchen, was meinen ehrenwerten Freund so sehr zu verärgern scheint. Sagen Sie uns bitte, was Sie getan haben, nachdem Sie zu dieser ungewöhnlichen Theorie gelangt waren?«
    »Ich habe mich umgesehen, um festzustellen, ob es noch etwas anderes Bemerkenswertes gab«, sagte Pitt, während er sich genau zu erinnern versuchte, um eine möglichst treffende Beschreibung zu liefern. »Auf einem Tischchen am anderen Ende der Bibliothek stand ein Tablett mit einem halb vollen Glas Portwein. Ich habe den Butler gefragt, wann Mr. Adinett das Haus verlassen habe, und er hat es mir gesagt. Dann habe
ich ihn gebeten, den Sessel wieder dort hinzustellen, wo er sich bei seinem Eintritt befunden hatte, und alle Handgriffe möglichst genau zu wiederholen.« Er sah vor seinem inneren Auge den verblüfften Ausdruck des Mannes und erinnerte sich an dessen Zögern. Obwohl es ihm ganz offensichtlich dem Toten gegenüber pietätlos schien, war er steif und schwerfällig Pitts Wunsch nachgekommen, bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, was er dabei empfand.
    »Ich stand hinter der Tür«, fasste Pitt zusammen. »Als der Butler hinter den Sessel gehen musste, um an Mr. Fetters’ Kopf zu gelangen, verließ ich die Bibliothek und ging durch den Vorraum in den Raum gegenüber.« Er hielt inne, damit Juster das Stichwort aufgreifen konnte.
    Jetzt hörten alle Geschworenen aufmerksam zu. Keiner rührte sich, keiner ließ den Blick schweifen.
    »Hat Ihnen der Butler nachgerufen?« Auch Juster achtete genau auf seine Wortwahl.
    »Nicht sofort«, gab Pitt zur Antwort. »Ich habe gehört, wie er in der Bibliothek ganz normal weitersprach. Dann aber schien er zu merken, dass ich nicht mehr dort war, ist in den Vorraum gekommen und hat nach mir gerufen.«
    »Und daraus schließen Sie, dass er nicht gesehen hat, wie Sie den Raum verließen?«
    »Ja. Ich habe das Experiment mit vertauschten Rollen noch einmal durchgespielt. Als ich mich hinter den Sessel kauerte, konnte ich ihn nicht hinausgehen sehen.«
    »Aha.« In Justers Stimme lag unüberhörbare Befriedigung, und er nickte ganz leicht. »Aus welchem Grund haben Sie den gegenüberliegenden Raum aufgesucht, Mr. Pitt?«
    »Weil die Entfernung zwischen der Tür zur Bibliothek und der Treppe etwa sechs Meter beträgt«, erklärte Pitt und sah dabei
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