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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel
Autoren: Anne Perry
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obersten Brett waren erzählende Literatur«, gab Pitt zur Antwort. » Waverley von Sir Walter Scott, viele Bände Dickens und ein Werk von Thackeray.«
    »Und Ihrer Ansicht nach gehört die Ilias nicht dazu?«
    »Die Werke auf dem mittleren Bücherbord beschäftigten sich mit dem Griechenland der Antike«, erklärte Pitt, »vor allem mit Troja – Schliemanns Grabungen und Forschungen, Kunstgegenständen und historischen Fragen. Eine Ausnahme bildeten lediglich drei Bände Jane Austen, die eigentlich auf das oberste Brett gehört hätten.«
    »Was mich betrifft, würde ich jederzeit dafür sorgen, Romane immer in Griffweite zu haben, vor allem die von Jane Austen«, sagte Juster achselzuckend und mit feinem Lächeln.
    »Vielleicht nicht, wenn Sie sie schon gelesen hätten«, gab Pitt zurück. Er war so angespannt, dass er das Lächeln nicht erwidern konnte. »Als Altertumskundler, dessen Interesse ganz
besonders dem Griechenland Homers gilt, würden Sie wohl kaum die meisten Ihrer Bücher zu dem Thema auf die mittleren Bretter und lediglich drei davon auf das oberste zu den Romanen stellen.«
    »Da haben Sie Recht«, bestätigte Juster. »Es wirkt nicht nur exzentrisch, um es vorsichtig zu sagen, sondern ist wohl auch unnötig unbequem. Was haben Sie getan, als Ihnen die Sache mit den Büchern aufgefallen ist?«
    »Ich habe mir Mr. Fetters Leichnam genauer angesehen und den Butler, der ihn gefunden hatte, gebeten, mir genau zu berichten, was vorgefallen war.« Pitt sah zum Richtertisch hinüber, um zu sehen, ob man ihn würde weitersprechen lassen.
    Mit einem Nicken sagte der Richter: » Reden Sie weiter, wenn es zur Sache gehört.«
    Reginald Gleave saß mit fest zusammengepressten Lippen auf seinem Platz. Seine breiten Schultern hingen herab. Er wartete auf seinen Auftritt.
    »Er hat mir gesagt, etwa zehn Minuten, nachdem Mr. Adinett das Haus verlassen habe, sei aus der Bibliothek nach ihm geläutet worden«, berichtete Pitt. »Auf dem Weg dorthin habe er einen Aufschrei und einen Aufprall gehört und nach dem Öffnen der Tür zu seiner Bestürzung gesehen, dass Mr. Fetters’ Füße und Knöchel hinter dem schweren Ledersessel in der Ecke hervorsahen. Er sei sogleich zu ihm geeilt, um nach ihm zu sehen. Meine Frage, ob er die Lage der Leiche verändert habe, hat er verneint und erklärt, er habe lediglich den Sessel ein wenig beiseite gerückt, um zu Mr. Fetters zu gelangen.«
    Unruhig begannen einige Zuhörer auf ihren Stühlen herumzurutschen.
    Diese Einzelheiten schienen ihnen äußerst unerheblich, wies doch in ihren Augen nichts davon auf Leidenschaft oder Gewalttat hin und schon gar nicht auf Mord.
    Adinett sah Pitt mit zusammengezogenen Brauen unverwandt an. Seine Lippen waren leicht geschürzt.
    Juster zögerte. Er merkte, dass ihm die Geschworenen die Gefolgschaft aufkündigten. Das ließ sich an seinem Gesicht ablesen. Zwar ging es hier um Fakten, weit mehr aber noch um Überzeugungen.
    »Was meinen Sie mit ›ein wenig‹, Pitt?« Seine Stimme klang scharf.
    »Er hat es mir gezeigt«, gab Pitt zur Antwort, »genau bis zur Teppichkante. Das sind etwa achtundzwanzig Zentimeter.« Ohne auf Justers nächste Frage zu warten, fuhr er fort. »Er muss also zuvor in einem so ungünstigen Winkel gestanden haben, dass weder das Licht vom Fenster noch von der Gaslampe dorthin fallen konnte, außerdem war er so nah an der Wand, dass man sich nicht dahinter bewegen konnte und der Zugang zu einem großen Teil des Bücherregals versperrt war – und zwar zu dem, der die Reise- und Kunstbücher enthielt, von denen mir der Butler versicherte, dass Mr. Fetters sie des Öfteren zu Rate zog.« Er sah Juster an. »Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass der Sessel üblicherweise nicht dort stand, und habe den Teppich auf Abdrücke der Sesselfüße untersucht und welche gefunden.« Er holte tief Luft. »Außerdem war der Teppichflor teilweise flach gedrückt. Ein genauerer Blick auf Mr. Fetters’ Schuhe hat mir dann gezeigt, dass sich Fasern im Absatz verhakt hatten, die allem Anschein nach von diesem Teppich stammten.«
    Diesmal erhob sich Gemurmel im Saal. Reginald Gleaves Lippen drückten sich noch fester aufeinander. Vermutlich steckte dahinter weniger Besorgnis, als Ärger und die Entschlossenheit, auf keinen Fall aufzugeben. Pitt sprach weiter. »Doktor Ibbs hatte mir gesagt, Mr. Fetters habe sich seiner Vermutung nach zu weit vorgebeugt, das Gleichgewicht verloren, sei von der Bibliotheksleiter gestürzt und dabei mit
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