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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel
Autoren: Anne Perry
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alles, was er besaß, im Kampf dafür aufs Spiel zu setzen, dass allen Menschen ein anständiges Leben möglich ist, dass es überall Menschlichkeit und eine Justiz gibt, die diesen Namen verdient.«
    »Und aus welchem Grund hat ihn Voisey getötet?«
    »Er behauptet, es sei Notwehr gewesen. Ziehen Sie sich an,
und kommen Sie mit! Wir kümmern uns um die Sache. Beeilen Sie sich!« Pitt folgte der Aufforderung, ohne Fragen zu stellen, und eine halbe Stunde später fuhren sie in einer Droschke vor Charles Voiseys elegantem Haus am Cavendish Square vor. Narraway stieg aus, bezahlte und eilte Pitt voraus zur Tür, die ein uniformierter Wachtmeister sogleich öffnete.
    Pitt folgte Narraway auf dem Fuße. Zwei weitere Männer befanden sich im Vestibül. In einem erkannte Pitt den Polizeiarzt, den anderen, der Narraway ansprach, hatte er noch nie gesehen. Er wies auf eine der Türen.
    Mit einem Blick bedeutete Narraway Pitt, dass er ihm folgen solle, und betrat dann den Raum, der in helles Licht getaucht war. Der große Schreibtisch und mehrere Bücherschränke, vor denen zwei reich geschnitzte Stühle mit Ledersitzen standen, zeigten an, dass es sich um ein Arbeitszimmer handelte. Am Boden lag ein schlanker Mann mit dunklem Teint und schwarzem Haar, das von weißen Strähnen durchzogen war. Vermutlich hatte er von der Tür aus in Richtung Schreibtisch gehen wollen. Am Ringfinger einer seiner schmalen Hände trug er einen Siegelring mit einem dunklen Stein. Sein Gesicht wirkte durch den friedlichen Ausdruck, den es trug, fast schön. Die Lippen waren in einer Weise verzogen, die man als Lächeln hätte deuten können. Der Tod war ohne Angst und Schrecken zu ihm gekommen, eher wie ein schon lange erwarteter Freund.
    Reglos stand Narraway da, erkennbar bemüht, seiner inneren Bewegung Herr zu werden.
    Pitt hatte den Mann schon einmal gesehen. Er kniete sich neben ihn und berührte ihn. Er war unverkennbar tot, auch wenn der Körper noch nicht kalt war. Ein Einschussloch in der Brust und ein Blutfleck auf dem Fußboden wiesen auf die Todesursache hin.
    Pitt richtete sich auf und wandte sich Narraway zu.
    Dieser schluckte und sah beiseite. »Wir gehen jetzt zu Voisey. Er soll uns sagen, wie er das hier … erklären kann!« Seine Stimme klang erstickt. Die Wut darin war unüberhörbar.
    Im Hinausgehen schloss Narraway die Tür leise, als verließen sie eine Art Heiligtum. Er trat durch das Vestibül zu dem zweiten Mann, der wartend stehen geblieben war. Sie verständigten
sich mit einem Blick, und der Mann öffnete Narraway und Pitt die Tür.
    Der Raum, in den sie traten, war das Gesellschaftszimmer. Den Kopf in die Hände gestützt, saß Charles Voisey auf der Kante des großen Sofas. Er hob den Blick, als Narraway vor ihn trat. Alle Farbe hatte sein Gesicht verlassen, bis auf die bläulichen Spuren, wo seine Finger ins Fleisch der Wangen gedrückt hatten.
    »Er ist auf mich losgegangen«, sagte er mit hoher und brüchiger Stimme. »Er war wie verrückt. Er hatte eine Schusswaffe in der Hand. Ich habe mich bemüht, ihm gut zuzureden, aber er hat nicht darauf geachtet. Es war, als ob er nichts von dem gehört hätte, was ich sagte. Er war … fanatisch!«
    »Welchen Grund hätte er gehabt, Sie zu töten?«, fragte Narraway kalt.
    Voisey schluckte.
    »Er – er war gleich mir mit John Adinett befreundet und aus irgendeinem Grund überzeugt, ich hätte ihn … sozusagen … verraten … weil ich ihn nicht vor der Todesstrafe bewahrt habe. Er wollte nicht verstehen, dass ich dazu keine Möglichkeit hatte.« Er warf einen Blick auf Pitt und sah dann wieder auf Narraway. »Manche Dinge stehen nun einmal höher als eine Freundschaft, ganz gleich, wie man sich … zu jemandem stellt. Und Adinett war in mancher Hinsicht wirklich ein großartiger Mensch … weiß Gott.«
    »Er war ein bedeutender Vorkämpfer republikanischer Ideen«, sagte Narraway mit einer gewissen Schärfe in der Stimme. Pitt wusste nicht recht, was er von dieser Mischung aus Leidenschaftlichkeit und schneidendem Sarkasmus halten sollte.
    »Ja …«, Voisey zögerte. »Das stimmt. Andererseits …« Wieder verstummte er. In seinem Blick lag Unsicherheit. Er sah Pitt an, und einen Augenblick erkannte dieser in den Augen des Mannes blanken Hass. Gleich darauf aber beherrschte er sich wieder und senkte den Blick. »Er war überzeugt, dass auf vielen Gebieten Reformen nötig sind, und hat sich mit allem Mut und aller Intelligenz für sie eingesetzt. Aber man kann dem
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