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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel
Autoren: Anne Perry
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verschwand in der Speisekammer, um das Nötige zu holen. Während sie am Herd Zwiebeln schnitt und briet, Kartoffeln und Kohl zum Aufwärmen hinzugab und das Ganze rührte, bis es innen glühend heiß und außen knusprig braun war, hielt sie ihm den Rücken zugekehrt. Sie füllte einen vorgewärmten Teller und stellte ihn Tellman hin. Anschließend setzte sie den Wasserkessel erneut auf und machte frischen Tee.
    Zum Schluss nahm sie wieder ihm gegenüber Platz.
    »Wir suchen also diesen Remus auf und sagen ihm, was für ’ne gewaltige Sache das is? Für den Fall, dass er noch gar nich gemerkt hat, mit wem er’s zu tun hat, weil er nich nach links und rechts geguckt hat?«
    »Ja«, sagte er mit vollem Mund, wobei er gleichzeitig zu lächeln versuchte. »Aber das mache ich. Nicht Sie.«
    Sie hielt den Atem an.
    »Sie nicht«, wiederholte er. »Versuchen Sie nicht, mich umzustimmen! Das ist mein letztes Wort.«
    Sie seufzte tief auf und sagte nichts.
    Er wandte seine Aufmerksamkeit dem Essen zu, das verlockend nach Zwiebeln roch. Er schien nicht zu merken, wie überraschend schnell sie klein beigegeben hatte.
    Als er sich gesättigt hatte, dankte er ihr mit ehrlich gemeinter Bewunderung und verließ das Haus nach etwa zehn Minuten durch die Hintertür.
    Gracie überlegte, dass es ihr gelungen war, Remus bis Whitechapel auf der Fährte zu bleiben, ohne dass er etwas gemerkt hatte, ihrer Ansicht nach eine beachtliche Leistung. Natürlich würde es sehr viel schwieriger sein, Tellman unauffällig zu folgen, weil er sie kannte. Zu schwer würde es aber nicht werden, denn er dürfte kaum damit rechnen, außerdem kannte sie sein Ziel: Er wollte an Remus’ Wohnung auf dessen Rückkehr von seinen Erkundungen warten. Sie nahm Mantel und Hut vom Haken an der Tür und machte sich auf den Weg. Auch wenn sie nicht viel für Lyndon Remus übrig hatte, wusste sie doch inzwischen dies und jenes über ihn, seine Vorlieben und Abneigungen, und war Zeugin seiner Erregung wie auch des Entsetzens gewesen, das er empfunden hatte. Sie wollte nicht, dass ihm ernsthaft etwas zustieß, hätte aber nichts dagegen gehabt, wenn etwas geschähe, was ihn ein wenig auf den Boden der Tatsachen zurückholte. Allerdings war ihr klar, dass in diesem Zusammenhang von keiner Seite Mäßigung zu erwarten war.
    Sie hatte nur einen Shilling und fünf Pence bei sich, die sich zufällig in der Manteltasche befanden. Für Charlotte hatte sie rasch mit Bleistift eine kurze Mitteilung auf einer Papiertüte hinterlassen, damit sie sich keine Sorgen machte. Zwar hatte sie noch ihre Schwierigkeiten mit der Rechtschreibung, doch da Charlotte ihr Lesen und Schreiben beigebracht hatte, würde sie wohl auch verstehen, was da stand.
    Zielbewusst strebte Tellman der Tottenham Court Road entgegen. Offensichtlich wollte er zur Haltestelle der Pferde-Omnibusse.
Das erschwerte die Sache, denn wenn sie in denselben Omnibus stieg wie er, würde er sie zwangsläufig sehen, wenn sie aber auf den nächsten wartete, würde sie zu spät kommen, denn das konnte ohne weiteres eine Viertelstunde dauern.
    Doch sie wusste, wo Remus wohnte. Wenn sie die Untergrundbahn nahm, hatte sie gute Aussichten, etwa gleichzeitig mit Tellman dort einzutreffen. Es war das Risiko wert.
    Rasch wandte sie sich in die Gegenrichtung und begann zu laufen. Falls sie Glück hatte, würde ihr Vorhaben gelingen. Das Geld würde auf jeden Fall reichen.
    Unruhig schritt sie auf dem Bahnsteig auf und ab und rutschte, als der Zug endlich gekommen war, nervös auf ihrem Sitz herum. Kaum hatte der Zug an ihrem Zielbahnhof angehalten, als sie hinausstürmte und die Treppe emporeilte.
    Auf der Straße herrschte viel Verkehr, und sie brauchte eine Weile, um sich zu orientieren. Bei einer fliegenden Händlerin, die süßes Gebäck feilbot, erkundigte sie sich nach dem Weg und eilte im Laufschritt weiter.
    Als sie die letzte Ecke umrundete, hätte sie Tellman fast umgerannt.
    Er ließ eine Reihe Flüche vom Stapel, die sie ihm nicht zugetraut hätte.
    »Wie entsetzlich!«, sagte sie verblüfft.
    Er errötete bis über beide Ohren. Es war ihm so peinlich, dass er einen Augenblick lang außerstande war, seine übliche Würde zu wahren und ihr zu sagen, sie solle sich nach Hause scheren. Sie rückte ihren Hut gerade und sah ihn furchtlos an. »Er is also nich da?«
    »Nein.« Er räusperte sich. »Noch nicht.«
    »Dann warten wir wohl besser«, erklärte sie, wandte den Blick ab und zeigte damit an, dass es ihr an Zeit und
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