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Die Verschwoerung der Fuersten

Die Verschwoerung der Fuersten

Titel: Die Verschwoerung der Fuersten
Autoren: Susanne Eder
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das Bewusstsein.«

    »Hatte er denn keine Waffe bei sich?«, fragte Bandolf erstaunt.
    Adalbert runzelte die Stirn.
    »Doch, ja. Er hatte etwas in der Hand. Ich glaube, es war ein Dolch.«
    Er stöhnte und fasste sich an den Kopf. Pothinus warf dem Burggrafen einen empörten Blick zu, aber bevor Bandolf weiterfragen konnte, sorgte die Ankunft von Bruder Anselm, dem Apotheker, für Ablenkung. Auch die Männer, die der Kämmerer um eine Trage geschickt hatte, kehrten mit einer Leichenbahre zurück. Bandolf und Pothinus traten beiseite, und während der Burggraf seine Dienstleute nach Hause schickte, sah er, wie Pothinus sich bückte und etwas vom Boden aufhob. Der Kämmerer schob den Gegenstand in seinen weiten Ärmel, und Bandolf fragte sich müßig, was es gewesen sein mochte. Inzwischen protestierte Adalbert von Bremen so heftig wie vergeblich dagegen, dass man ihn auf der Leichenbahre zur Pfalz hinübertragen wollte.
    »Wenn ich tot bin, könnt ihr mich auf einer Leichenbahre davonkarren, aber noch lebe ich«, rief er schwach.
    »Aber Ihr müsst Euch niederlegen«, beschwor ihn Bruder Anselm, »Eure Körpersäfte sind durcheinandergeraten, und bis ich Euch zur Ader lassen kann, müsst Ihr Euch ruhig verhalten.«
    Schließlich fügte sich der Kirchenfürst. Unter viel Aufhebens wurde er auf die Bahre gehievt und im Gefolge des Bruders Apotheker und seines Gehilfen zur Bischofspfalz hinübergetragen. Langsam löste sich auch die Versammlung der Gaffer auf, und Bandolf, der der Trage mit Adalbert hinterhersah, zitierte leise: »Wund aber flüchtete gleich der Hirsch zur vertrauten Behausung.«
    »Was wollt Ihr damit sagen?«, fragte Pothinus misstrauisch.
    Der Burggraf lächelte. »Nichts, Kämmerer, gar nichts.«

    Pothinus schickte sich an, der Prozession zu folgen, doch Bandolf hielt ihn zurück.
    »Was habt Ihr denn vorhin im Gras gefunden?«
    Pothinus runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, was Ihr meint.«
    »Ihr habt doch etwas vom Boden aufgehoben und in Euren Ärmel gesteckt?«, beharrte Bandolf.
    »Ach das?« Der Kämmerer rang sich ein Lächeln ab und streckte seine Hand vor. An seinem Mittelfinger steckte ein silberner Ring mit einem polierten Amethysten. »Der Ring ist mir vom Finger geglitten, und ich habe ihn aufgehoben.« Er zuckte mit den Schultern. »Das ist alles.«
    »Ein Glück, dass er Euch nicht verlorenging«, meinte Bandolf mit schmalen Augen.
    »Ja, ein Glück«, bestätigte der Kämmerer und starrte den Burggrafen eisig an. Dann machte er sich eilig davon, um den Einzug des Erzbischofs in die Pfalz nicht zu verpassen.
    Bandolf sah sich noch einmal auf dem Platz um, der sich allmählich leerte. Breitbeinig stand er vor dem niedergedrückten Gras, wo Adalbert von Bremen gelegen hatte, und biss sich auf die Lippen. Er hatte deutlich gesehen, dass Pothinus etwas in seinen Ärmel geschoben hatte. Wieso hatte der Kämmerer gelogen? Schließlich zuckte er mit den Schultern und wandte sich zum Gehen.
     
    Bandolf war tief in Gedanken versunken, als er die Hohlgasse zum Marktplatz hinunterstapfte. In den Häusern der Eigenleute des Bischofs war am Vortag geschlachtet worden, es roch nach rohem Fleisch, Pökelsalz und Gedärm. Schafsund Rinderblut mischte sich mit Urin und Fäkalien, die in schmalen Bächen die Gasse hinabflossen, um sich dann auf dem flacher gelegenen Marktplatz in schlierigen Pfützen zu sammeln. Schlachttage waren Festtage für die Ratten von
Worms, und Bandolf fluchte laut, als ein knopfäugiger, fetter Nager über seine Stiefel huschte.
    Unter dem hölzernen Marktkreuz, das am vergangenen Tag bei der Hofgasse errichtet worden war, blieb der Burggraf stehen und warf gewohnheitsmäßig ein scharfes Auge über den Marktplatz. Er wollte sehen, ob alles seine Ordnung hatte. Trotz der späten Stunde herrschte hier noch Unruhe, denn zu Michaeli in zwei Tagen war Jahrmarkt in Worms. Das Ereignis hatte fahrende Händler und Kaufleute von weither angelockt, die mit ihren schwer beladenen Karren draußen vor den Toren der Stadt lagerten. Seit Tagen waren Leute des Bischofs schon damit beschäftigt, Buden und Stände auf dem Markt und in den umliegenden Gassen aufzubauen. Bauern und Hörige von den Höfen und Klöstern der Umgebung, die ihre Marktgebühr bereits entrichtet hatten, schliefen zwischen den Ständen bei ihren Hühnerverschlägen, Gemüsekarren, Säcken, Gehegen und Fässern. In ganz Worms waren die Gastunterkünfte der Stifte und die Böden der Schankstuben restlos belegt, und
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