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Die verschollenen Tagebücher des Adrian Mole

Titel: Die verschollenen Tagebücher des Adrian Mole
Autoren: S Townsend
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mir die Schlagzeile »Aller guten Dinge sind drei?« ins Auge fiel. Rechts davon war ein Foto von der Hochzeit meiner Eltern Ende der Sechziger abgedruckt. Darunter eines von ihrer Trauung Ende der Achtziger. Zu meiner Bestürzung las ich, dass sie vorhatten, erneut zu heiraten, zum dritten Mal. Ich rief sofort meine Mutter an. Sie sagte: »Wir wollten es dir ja erzählen. Irgendein Arsch vom Ashby Bugle hat was durchsickern lassen.«

Samstag, 18. August
    Heute war ich Gast bei der dritten Hochzeit meiner Eltern. Als meine Mutter meinen Vater zum ersten Mal heiratete, war ich ein vier Monate alter Fötus. Ich selbst weiß natürlich nichts mehr von dem Ereignis – obwohl meine liebe, tote Großmutter May Mole mir erzählte, dass meine Mutter sich auf dem Empfang blamierte, indem sie aus Versehen ihren Hochzeitsschleier in Brand steckte, als sie versuchte, sich eine filterlose Zigarette mit einem kaputten Überall-Zündholz anzuzünden.
    Mein Vater löschte die Flammen mit einer Schüssel Pfirsiche in Saft, die er vom Buffet riss. In dem anschließenden Chaos wurden die 75 handgefüllten Fleischpastetchen meiner Großmutter (eins pro Gast) geplündert. Obwohl ich damals noch im Bauch meiner Mutter schwamm, bin ich überzeugt, dass dieser unerfreuliche Vorfall mich zum Nichtraucher mit einer Abneigung gegen Dosenpfirsiche machte.
    Die heutige Zeremonie wurde im Rathaus, der administrativen Schaltzentrale von Leicestershire, abgehalten. Es war etwas verunsichernd, von den altersschlaffen Gesichtern meiner liebestollen Eltern aufzublicken, die gerade ihr Ehegelübde ablegten, und einen Verwaltungsapparatschik zu sehen, der im Büro nebenan offenbar gerade Strafmandate kopierte. Sollte ich jemals wieder heiraten, werde ich dafür sorgen, dass der Rahmen angemessen romantisch ist. Der Stausee Rutland Water soll bei Sonnenuntergang einen atemberaubenden Anblick bieten, wobei die Mücken im Sommer ein Problem darstellen könnten.
    Der Empfang fand im Mehrzweckraum des Bürgerzentrums einer angrenzenden Sozialsiedlung statt. Als wir Gäste eine Schlange bildeten, um Braut und Bräutigam zu beglückwünschen,
mussten wir uns neben Sozialhilfeempfängern, jugendlichen Straftätern und einer Senioren-Tischtennisgruppe durchdrängeln. Ich bin der liberalste und demokratischste Mensch der Welt, aber ein Hotel wäre doch sicherlich passender gewesen.
    Für die musikalische Untermalung sorgte Alan Clarke mit seiner Folkband The Shanty Men, die aufeinander abgestimmte Strickpullover trugen und von Heringen sangen. Ich war froh, als einer von ihnen, Abbo Palmer, mitten im Lied abbrach und verkündete, dass Clarke an diesem Tag fünfzig werde. Clarke blieb vor Schreck der Mund offen stehen, und Pamela Pigg – seine derzeitige Liebschaft – raunte mir zu: »Dieser miese Lügner, mir hat er gesagt, er wäre siebenunddreißigeinhalb.«
    Mein Vater stand auf und hielt eine Rede über den »glücklichsten Tag seines Lebens« – seine Stimme war belegt vor sentimentalen Tränen. Leider sprach er von irgendeiner Meisterleistung, die Ian Botham vor zwanzig Jahren in einem Kricketspiel in Headingley vollbracht hatte.

Samstag, 25. August
    Ich fürchte, ich verliere den Kampf, Williams Charakter zu meiner eigenen Zufriedenheit zu modellieren. Er scheint nicht viel für höhere Kultur übrigzuhaben, und sein Musikund Literaturgeschmack ist entsetzlich. Er ist zwar noch ein Kind, aber in seinem Alter gab Mozart schon ausverkaufte Konzerte in ganz Europa. Diese Woche spielte ich ihm den gesamten Ring-Zyklus von Wagner auf meiner Stereoanlage vor, in der Hoffnung, dass die stetige Beschallung mit dem Gekreische und Geheul seinen Widerstand
brechen würde. Vergeblich. Sobald der letzte Ton verklungen war, rannte William zum CD-Spieler und legte »Mambo Number 5« ein, gesungen [sic] von Bob dem Baumeister.
    Seit er im Haus meiner Mutter erstmals mit der WWF (World Wrestling Federation) Bekanntschaft machte, ist er süchtig – und das Wort benutze ich nicht leichtfertig. Er lebt nur noch für Freitag, wenn Sky Sports One zwei Stunden lang diese sogenannte »Sportunterhaltung« ausstrahlt. Seine Helden sind The Rock und The Undertaker, und seine Antihelden sind Stone Cold Steve Austin sowie DDP (Diamond Dallas Page). Alle vorgenannten Männer sind abstoßend hässliche, viehische Muskelpakete, die nicht den Eindruck machen, jemals Weltliteratur gelesen zu haben, und wahrscheinlich glauben, Nabokov wäre ein illegales Steroid.
    Gestern Abend fand
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