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Die verschollenen Tagebücher des Adrian Mole

Titel: Die verschollenen Tagebücher des Adrian Mole
Autoren: S Townsend
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trugen Kränze aus
Mohnblumen, andere hatten sich Orden an die Anoraks geheftet.
    Ein alter Bursche, dem beide Beine amputiert worden waren, wurde von seiner verrunzelten Frau im Rollstuhl geschoben. William fragte viel zu laut: »Wo sind denn die Beine von dem Mann hin, Dad?« Ich antwortete: »Er hat sie auf einem Acker in einem fremden Land gelassen, damit wir Engländer als freie Menschen leben können, mein Sohn.«
    Eine aus pickeligen Halbwüchsigen bestehende Kapelle der Boys Brigade stimmte »Pack Up Your Troubles in Your Old Kitbag« an. Die alten Leute bemühten sich, im Takt der Musik zu laufen, aber manche waren zu langsam und kamen nicht mit. Tränen brannten mir in den Augen. Ich wischte sie verstohlen fort, als wir den Baumarkt betraten. Auf dem Weg in die Weihnachtsabteilung fragte William mich, ob ich in den Krieg ziehen müsse, um gegen »Osmar« bin Laden zu kämpfen. Ich erklärte ihm, dass ich Pazifist sei und nicht an Krieg glaube. William sagte: »Aber was, wenn Mr bin Laden in mein Zimmer kommen und mich umbringen wollen würde. Würdest du ihn lassen, Dad?«
    Das war ein verzwicktes moralisches Dilemma, das nicht dadurch erleichtert wurde, dass meine Mutter hinter einer Plastikkonifere hervortrat und fragte: »Genau, was würdest du dann tun, Mr Superpazifist?«
    Stammelnd versicherte ich, in dem höchst unwahrscheinlichen Fall, dass der meistgesuchte Terrorist der Welt in Williams Kinderzimmer auftauchte, würde ich bin Laden mit dem Arm zu Boden drücken und dort festhalten, bis Hilfe in Form eines Streifenwagens der Polizei von Ashby-de-la-Zouch einträfe.
    William schien beruhigt und stapfte davon, um eine elektrische Weihnachtsmannpuppe mit einer bimmelnden Glocke
zu betrachten. Meine Mutter aber stieß ein höhnisches Lachen aus und sagte: »Das letzte Mal, dass ich dich beim Armdrücken gesehen habe, war 1982 im Jugendklub. Damals wurdest du zehn von zehn Malen von Pandora Braithwaite geschlagen. Du trugst diesen braunen Pulli, den Oma dir zum Geburtstag gestrickt hatte.«
    Das Gedächtnis meiner Mutter ist phänomenal. Sie könnte als Pauline Mole, die Gedächtniskünstlerin, auftreten.

Mittwoch, 21. November
    Mohammed wurde verhaftet! Sein Bruder Imran hat mir erzählt, dass Mohammed gerade Säcke mit Holzscheiten vor seiner Tankstelle stapelte, als er von Scharfschützen der Polizei umstellt wurde, die ihm befahlen, sich auszuziehen und mit erhobenen Händen auf sie zuzulaufen. Bevor er in den Mannschaftswagen einstieg, rief Mohammed (laut einem Zeugen, einem gewissen Wayne Worthington, der sich im Tankstellenladen gerade die Wrestling-Zeitschrift Raw kaufen wollte): »Ich hab doch nur zwei Minuten in dem absoluten Halteverbot gestanden!« Ich finde es empörend, dass kostbare Polizeimittel für geringfügige Parkverstöße verschwendet werden.
     
    Das Schreiben an meinem allegorischen Roman Jack und John Turm erweist sich als schwierig. Hauptsächlich, weil ich noch nie in New York war. Dennoch darf ich nicht nachlassen. Jeder Autor, der etwas auf sich hält, muss ein Buch über die Welt nach den Zwillingstürmen verfassen. Ich gehe davon aus, dass Will Self an etwas Ähnlichem arbeitet.

    Ich darf nicht vergessen, im Multiplexkino anzurufen und Karten für Harry Potter zu reservieren. William hat gesagt, er werde sich umbringen, wenn er den Film nicht bald sehen darf.

Donnerstag, 22. November
    Imran kam heute Vormittag vorbei. Ich bot ihm eine Tasse Tee und eine Scheibe Toast an. Er schüttelte den Kopf und sagte gereizt: »Es ist Ramadan, Moley. Ich faste, kapiert?« Er war da, um mir zu berichten, dass sein Bruder unter »Terrorismusverdacht« festgehalten wird. Ein anonymer Anrufer hat offenbar die Sicherheitskräfte darüber informiert, dass Mohammed Flugstunden am Flughafen Leicester genommen hat. Imran jammerte: »Das ist alles meine Schuld: Ich hab ihm letztes Jahr zu Weihnachten einen Gutschein für Flugunterricht geschenkt.« Ich schickte Pandora eine SMS: »Unser gemeinsamer Schulfreund Mohammed ist ein Opfer staatlicher Repression. Ruf schnellstmöglich an.«

Freitag, 23. November
    Habe den ganzen Tag am Telefon verbracht, um eine »Free Mohammed«-Kundgebung auf dem Rathausplatz zu organisieren. Ein Bündnis formt sich, bestehend aus Tankstellenkunden, Nigels Gruppe »Schwule gegen Fliegerbomben« und Alan Clarke, der versprochen hat, mit seiner Morris Men -Volkstanzgruppe zu kommen. Kein Wort von Pandora.

    Die folgende Notiz wurde auf einem Fetzen Klopapier in
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