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Die verschollenen Tagebücher des Adrian Mole

Titel: Die verschollenen Tagebücher des Adrian Mole
Autoren: S Townsend
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Niemandes Miene erhellt sich, wenn ich einen Raum betrete. Meine Söhne würden mich vermutlich vermissen, wenn ich durchbrennen würde, aber es könnte ein oder zwei Wochen dauern, bis sie merken, dass ich weg bin. Wie konnte es so weit kommen? Als junger Mensch war ich solch ein Hoffnungsträger. Warum ist es mir verwehrt geblieben, meinen Anteil an den glitzernden Preisen abzuräumen? Meine Fernsehprominenz im Jahre 1997 war von kurzer Dauer. Außerdem – wer will schon dafür berühmt sein, im Kabelfernsehen Innereien zu kochen? Es wird Zeit für ein radikales Umdenken; ich muss mich selbst neu erfinden. So kann ich nicht weitermachen, ich darf mich nicht widerstandslos vorzeitig vergreisen lassen. Ich brauche einen Lebensplan, und zwar einen, der meine beiden Söhne mit einschließt.

Dienstag, 4. Januar
    Heute Morgen entschloss ich mich, meine Söhne in die Formulierung meines neuen Lebensplans einzubinden. Ich ging in ihr Zimmer, schaltete den Fernseher aus und nahm die Videokassette heraus, über die sie gerade herzhaft lachten (Aufnahmen von Sky News, die zeigten, wie Pandora Braithwaite mit ihren VIP-Genossen in einer steifen Brise fröstelnd am Bahnhof Stratford Schlange steht). Sie protestierten, doch ich erklärte: »Wir Moles müssen das neue Jahrtausend am Kragen packen, es schütteln und zwingen, für uns zu Werke zu gehen.« Dann gab ich jedem einen Zettel und einen Stift und forderte sie auf, ihre Ziele im Leben aufzuschreiben. William schrieb: »Mehr Süßigkeiten, eigener Fernseher, ein Labradorwelpe wie aus der Klopapierwerbung.« Glenn notierte: »Ich würde gern mit achtzehn heiraten, weil ich glaube das wär eine gute Möglichkeit Sex zu kriegen, ohne dass man ständig in die Disco muss. Vizeweltmeister im Rollerbladen wäre auch gans [sic] nett.« Darauf sprach ich ihn sofort an. »Warum nur Vize? Warum nicht den Meistertitel anstreben?«, wollte ich wissen. »Weil ich nicht zu berühmt werden will, Dad«, antwortete er. »Stell dir vor, der arme kleine Brooklyn muss doch jetzt von der Polizei beschützt werden.« Mein armer Sohn ist besessen von den dämlichen Beckhams und ihrem Sprössling.
    Meine eigenen Lebensziele lauten folgendermaßen: 1. Großes frei stehendes Haus in einem anständigen Vorort kaufen. 2. Seelenverwandte mit gewaltigem Intellekt, hoher Ertragskraft und beträchtlicher Oberweite finden. 3. Ein Treffen mit dem Ressortchef von BBC Drama erzwingen und sein Büro erst wieder verlassen, wenn er Der weiße
Lieferwagen , meine Komödie über einen Serienmörder, gekauft hat. 4. Unauffällige Haarverdichtung machen lassen.

Mittwoch, 5. Januar
    Meine Mutter und Iwan lagen den ganzen Tag mit der australischen Grippe im Bett. Heute Abend habe ich nach ihnen gesehen. Meine Mutter krächzte: »Das wird aber auch mal Zeit. Wir sterben hier an Vernachlässigung.« Ich meinte: »Ich wollte eure Privatsphäre nicht verletzen.« Sie flehte mich an, den Notarzt zu rufen, da sie sich »todkrank« fühle, doch ich weigerte mich mit den Worten: »Wir dürfen den staatlichen Gesundheitsdienst nicht noch weiter belasten.« Dann rührte ich beiden jeweils einen Erkältungstrunk aus der Tüte an und ließ sie allein, damit sie es ausschwitzen konnten. Als ich die Schlafzimmertür hinter mir schloss, hörte ich Iwan keuchen: »Da hatte ja das Finanzamt noch mehr Mitgefühl mit mir.« Mehrmals wurde ich nachts von ihrem lästigen Gehuste und den kläglichen Hilferufen geweckt. Schließlich krabbelte Iwan nach unten und rief den Arzt an, der den Krankenwagen kommen ließ.

Donnerstag, 6. Januar
    Meine Mutter liegt jetzt knapp hundert Kilometer entfernt im Krankenhaus, wo ihre Lungenentzündung behandelt wird. Ich weigere mich, Schuldgefühle zu haben. Schuldgefühle sind eine destruktive Empfindung und passen nicht in meinen neuen Lebensplan. In dem Bemühen, eine vernünftige Sozialwohnung zu bekommen, habe ich erneut
ein Bewerbungsformular ausgefüllt. Um ein paar Pluspunkte zu kriegen, habe ich »schwul« angekreuzt. Die Formulare werden absolut vertraulich behandelt, so dass niemand außerhalb des Wohnungsamtes jemals erfahren wird, dass ich in Wahrheit …

Freitag, 7. Januar
    Habe die Grippe, bin zu krank, um viel zu schreiben. Ich bete darum, sterben zu dürfen. Iwan fand das Bewerbungsformular für die Wohnung und sagte mir: »Ich hab’s schon immer gewusst.«

Freitag, 28. Januar
    Wisteria Walk, Ashby-de-la-Zouch, Leicestershire
     
    Die Sydney-Grippe ist über die Familie Mole
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