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Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing

Titel: Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing
Autoren: Jane Casey
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einfach durch.
    Mit verrenktem Arm tastete ich weiter, und meine Finger berührten kühles Metall.
    » Mein Schatz«, hörte ich Michael Shepherds gedämpfte Stimme. » Ich habe dich so sehr geliebt. Gestorben wäre ich für dich. Aber du hast alles weggeworfen.« Er gab Diane einen kleinen Stoß, sodass sie einige Schritte von ihm wegtaumelte. Als sie das Gleichgewicht wiedererlangt hatte, wandte sie sich schwerfällig zu ihm um. Jeglicher Widerstand war aus ihr gewichen. Da ich hinter ihr stand, konnte ich zwar ihr Gesicht nicht sehen, dafür aber das von Michael Shepherd. Einen Moment wirkte er wie von Schmerz überwältigt, und ich dachte: Das kann er nicht tun.
    Aber er war ein Mann mit Prinzipien, ein Mann, der das Leben seiner eigenen Tochter beenden konnte, weil er von ihr enttäuscht war, ein Mann, der absoluten Respekt verlangte. Er konnte so etwas tun. Und er tat es. Diesmal hörte ich das Geräusch. Diane brach auf der Stelle zusammen, ohne einen einzigen Laut. Noch während sie fiel, langte ich wieder hinter mich und streckte mich die fehlenden Zentimeter, um endlich zu fassen zu bekommen, was dort lag. Noch bevor Diane endgültig auf dem Fliesenboden aufschlug, hatte ich dieses Etwas in meiner Gesäßtasche verschwinden lassen. Damit hatte ich mir einen Vorteil verschafft, von dem Michael Shepherd nichts ahnte, doch wenn ich es falsch anstellte, konnte ich damit meine Lage dramatisch verschlechtern. Ich durfte einfach nicht darüber nachdenken. Was mir im schlimmsten Fall bevorstand, lag direkt zu meinen Füßen.
    Er hatte auf ihr Gesicht gezielt, und der Bolzen war in ihr rechtes Auge eingedrungen. Es sah grotesk aus. Bösartig. Nach einer Schrecksekunde zwang ich mich wegzusehen und presste die Hand auf den Mund, weil ich mich sicher gleich übergeben musste und weil ich wahrscheinlich die Nächste war. Die Arbeitsplatte des Küchenschranks drückte gegen meinen Rücken, und ich war dankbar für den Schmerz. Er hielt mich wach. Jetzt war ich ganz auf mich gestellt. Niemand war da, um mich zu retten. Alles hing ganz allein von mir ab.
    Michael Shepherd hatte zu Boden geschaut, auf seine Frau. Jetzt hob er wieder die Armbrust, betrachtete sie leidenschaftslos und legte sie dann beiseite. » Keine Bolzen mehr. Für dich muss ich mir was anderes ausdenken.«
    » Weshalb denn?« Bring ihn zum Reden, Sarah. Los schon, denk dir was aus.
    Er verzog die Augenbrauen. » Komische Frage. Ich kann Sie doch nicht zur Polizei gehen lassen, damit Sie denen alles haarklein erzählen.«
    » Die Polizei weiß alles«, sagte ich mit fester Stimme. Schwäche machte ihn nur mächtiger. Wie würde er mit jemandem fertigwerden, der sich nicht furchtsam zeigte, auch wenn ich vor Angst schlotterte? Hoffentlich merkte er es nicht. » Die haben doch nur darauf gewartet, dass Sie sich selbst belasten. In Ihrer Küche liegen zwei Tote– ich würde sagen, das reicht vorerst für eine Verhaftung.«
    » Die denken doch, dass Jenny von Danny Keane ermordet wurde. Das haben Sie selbst gesagt.«
    Ich lachte und sah mich um. » Ich glaube, Sie haben gerade so ziemlich bewiesen, dass sie damit wohl eher danebenlagen. Wie wollen Sie denen das als das Werk eines anderen verkaufen?«
    Er zuckte die Schultern. » Was soll’s, ist doch völlig egal. Ich werd jedenfalls nicht hier rumhängen und warten, bis ich verhaftet werde. Jetzt kümmere ich mich noch kurz um Sie, und dann bin ich weg.«
    » Es interessiert mich nicht die Bohne, ob Sie entkommen oder nicht. Eigentlich bin ich nur hier, weil mir Danny Keane leidgetan hat– ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil er mit seinen Taten vor allem mich beeindrucken wollte. Und jetzt, wo ich weiß, dass Sie Jenny getötet haben, ist es mir scheißegal, was passiert. Sie brauchen mich nicht umzubringen, Michael, und das hier war auch nicht nötig.« Ich deutete auf den Leichnam seiner Frau.
    » Sie hat es nicht anders verdient.«
    » Und Valerie?«
    » Die ist mir auf die Nerven gegangen«, antwortete er lakonisch.
    » Mir auch.« Bitte verzeih mir, Valerie. Ich meine es nicht so. Ich muss nur das hier irgendwie überleben. » Aber ich hätte sie deshalb wahrscheinlich nicht umgelegt.«
    Michael Shepherd sah mich an und lachte, es war wirklich ein Lachen. » Sie sind mir ja ’ne ganz Coole.«
    » Ich hab schon so einiges gesehen. So schnell haut mich nichts mehr um.« Ich lächelte ihm ins Gesicht, und es fühlte sich an wie eine Grimasse.
    » Im Ernst?« Er streckte sich und gähnte, ohne sich
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