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Die Vermessung der Frau

Die Vermessung der Frau

Titel: Die Vermessung der Frau
Autoren: Regula Stämpfli
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High Heels. Da ich eh schon 1,80 m messe, fiel dies auch niemandem besonders auf. Doch selbst das kritische Lesen von Studien über
Schönheit, Körper und Gesundheit hinterließ bei mir Bilder, und Sie werden es nicht glauben: Mittlerweile ist auch mein Schrank voller hochhackiger Schuhe, die ich vor zehn Jahren höchstens an Models in einer Helmut Newton-Ausstellung vermutet hätte!

    Die großen Mächte, die die Frauen vermessen, sitzen nicht einfach in den Chefetagen der einflussreichen Medienhäuser, in den Bildungsinstitutionen, in der Politik, in den DAX-Vorständen, in den Kulturbetrieben, sondern sie sitzen leider schon längst im eigenen Kopf. Dies ist das Rezept, nach welchem der Wahnsinn, den Menschen zu vermessen, perfekt funktioniert. Man nehme die mächtigsten Akteure einer Gesellschaft und kombiniere ihren ganz eigennützigen Machtanspruch mit einer einigermaßen schlüssigen Ideologie. Alles, was darüber hinaus dann noch gebraucht wird, sind die willigen Vollstrecker – die in den Köpfen der Individuen perfekt und unwidersprochen agieren. Wir leben in einer Welt, die alle menschlichen Belange in Zahlen und in Verhältnissen ausdrückt, die aber, wenn es der Sicherung der Macht nicht mehr dient, sich einer ganz speziellen Arithmetik bedient.

    Warum stellt die Blondine ihren Computer auf den Boden? Damit der Computer nicht abstürzt. Ungefähr so lesen sich die diversen Schönheitsbücher, die ich zur Vorbereitung dieses Buches gelesen habe und die nun allesamt in meinem Büchergestell vergammeln.

    Kennen Sie die acht Gesetze des Evolutionsbiologen Karl Grammer? Er ist führend darin, Zugehörigkeit zwischen den Menschen, eine erfüllende Tätigkeit sowie sinnliches Erleben, das über die materiellen Genüsse hinausgeht, aus der Welt definieren zu wollen. Sein Jugendkult, besonders im Hinblick auf die jungen Frauen, spricht Bände über Grammer und über dessen Vorlieben. Urteilen Sie selbst:

    Erstens: Jugend! Jugend! Jugend! Grammer dazu: »Je jünger eine Frau ist, desto höher ist ihr reproduktives Potenzial.« Die über 60-jährigen Iris Berben und Susan Sarandon mit ihren deutlich jüngeren Partnern würden dem alten Grantler Grammer wohl nur spitzbübisch ins Gesicht lachen.
    Zweitens: Hormone. »Schön sind nur Menschen, die Fruchtbarkeit ausstrahlen, vor allem aber die Frauen.« Hallo? Wie steht es mit Männern, deren Testosterongehalt klein, deren Brieftasche dafür umso dicker ist?
    Drittens: »Mathematischer Durchschnitt und klassische Proportionen sind entscheidend!« Guckguck! Picassos Bilder dürfen wir also nie mehr als »schön« werten.
    Viertens: »Symmetrie macht glücklich.« Karl Grammer wiederholt hier seinen dritten Punkt, wohl, weil ihm nichts mehr Gescheiteres einfällt und er wohl keine Menschen kennt, die immer wieder auf den gleichen asymetrischen Typen reinfallen.
    Fünftens: »Rosige Wangen und glänzende Locken, da diese zeigen »wie gut das Immunsystem funktioniert«. Das spräche nun wieder für Frauen in der Menopause, den n vor lauter Schwitzen sind die Wangen immer rosig und die Locken glänzend ...
    Sechstens: »Bewegung.« Nun ja, hier lassen wir Grammer gelten, denn Menschen bewegen sich selbst in einem Rollstuhl in einer Vielfalt, die wunderbar anzuschauen ist.
    Siebtens: Körpergeruch. »Attraktive Frauen riechen besser«. Aha. Sehr interessant. Auch dazu hätten wir nicht wirklich einen Attraktivitätsforscher gebraucht. Denn eine Frau, die sich pflegt, riecht auch gut.
    Achtens: »Stimme. Angenehme Stimmen können nur schöne Menschen produzieren«, Auch da ist festzustellen: Grammer war noch nie in einem Radiostudio, welches meist gefüllt ist mit Menschen, die das perfekte Radiogesicht haben, wenn Sie wissen, was ich meine...

    In einem Weltwoche-Interview (41/2006) definierte Karl Grammer das »perfekte Wesen«: »Es (sic! Anm. R.S.) verfügt über
eine angenehme Stimme. Es hat außerdem eine reine Haut, glänzende Haare, duftet wunderbar und wippt mit den Hüften. Es ist natürlich weiblich, und es ist jung, was mit dem Reproduktionsstatus zu tun hat.« Zudem, so Grammer weiter, wollen Männer »von Natur aus« beeindrucken und Frauen »von Natur aus« gefallen. Grammer ist ein klassischer Vertreter der Biologisten im gegenwärtigen Jäger- und Sammlerzeitalter, die behaupten, Frauen hätten schon damals nichts anderes gemacht, als Mammuteintopf zu kochen.

    Stellen Sie sich, falls Sie Gelegenheit dazu haben, einmal an irgendeinen Touristenstrand.
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