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Die Verlorenen

Die Verlorenen

Titel: Die Verlorenen
Autoren: Vampira VA
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strahlenden Augen war leer; zwei dunklen Löchern gleich schienen Pupillen und Iris in das Weiß ihrer Augäpfel zu führen. Und Agamemnon fürchtete, sie würden sich nie mehr mit den Funken des Lebens füllen.
    Sein Gesicht glühte vor Schmerzen. Er hieß ihn willkommen, denn er lenkte ihn wenigstens ein kleines bißchen von den Greueln ab. Wenn auch lange nicht in genügendem Maße.
    Irgendwann wurde der Sklave zumindest von der Grausamkeit des Sehens erlöst. Seine Lider schwollen unter den Schlägen allmählich zu der Größe kleiner Zwetschgen und machten ihn schlicht blind. Aber die Geräusche, die er nach wie vor zu hören gezwungen war, reichten aus, um die zugehörigen Bilder hinter seine schmerzenden Lider zu projizieren.
    Und dann, endlich, war es vorbei.
    »Es ist genug.« Jacques La Fore hatte gesprochen, leise, aber bestimmt. Agamemnon glaubte die knappe Handbewegung des Plantagenbesitzers zu spüren, als der eisige Hauch, von dem er sich unentwegt berührt fühlte, für eine halbe Sekunde stärker wurde.
    »Schafft das Gesindel hinaus«, befahl La Fore, dann entfernten sich seine harten Schritte.
    Agamemnon konnte hören, wie sie Semiramis packten und zur Tür schleiften. Wenig später ergriffen auch ihn feuchte Hände und zerrten ihn mit sich. Er tat ein paar Schritte und wußte, daß sie gleich die Treppe erreicht haben mußten, über die sie in den ersten Stock des Herrenhauses gekommen waren .
    . der Boden verschwand wie weggezogen unter den Füßen des Schwarzen, der Griff der Hände löste sich. Agamemnon stürzte. Hart prallte er gegen die Stufenkanten, überschlug sich, fiel weiter. Er hörte ein leises Knacken, noch bevor er den Schmerz spürte, mit dem mindestens eine seiner Rippen brach.
    Die Treppe schien kein Ende zu nehmen. Schmerzen wurden zu Agamemnons einziger Wahrnehmung, während er über die scharfkantigen Stufen rollte. Und bevor er endlich unten anlangte, schlug er noch mit der Stirn gegen das marmorne Geländer. Feuchte Wärme floß ihm übers Gesicht.
    Reglos und sich sekundenlang selbst für tot haltend (hoffend! wünschend!) blieb er schließlich am Fuß der Treppe liegen. Nicht lange genug, um des tobenden Schmerzes auch nur ansatzweise Herr werden zu können. Wieder fühlte er sich gepackt und weitergestoßen, blind und stöhnend.
    Kühler Nachtwind fächelte ihm entgegen, als sie durch das Portal gingen. Ein winziger Teil der Hitze schwand aus seinem Gesicht, und der Sklave glaubte fast zu spüren, daß die Schwellungen ein ganz kleines bißchen zurückgingen. Seine verklebten Lider lösten sich einen kaum millimeterbreiten Spalt voneinander, durch den er zumindest einen klitzekleinen Teil der Welt sehen konnte, wenn auch noch immer wie durch blutrote Gaze.
    Flackerndes Licht lag über dem Vorplatz; die Fackeln brannten noch. In ihrer Mitte machte Agamemnon etwas wie ein dunkles Bündel aus, reglos, stumm. Cuffey. Niemand hatte es gewagt, seine Fesseln zu lösen und ihn wegzubringen. War das überhaupt noch nötig? fragte sich Agamemnon mit einer Nüchternheit, die ihn selbst fast entsetzte.
    Die La Fore-Brüder und Vandermeere verhielten im Schritt, und sie hörten auch auf, die beiden Sklaven zu verfluchen und zu verhöhnen. Als hätten sie etwas gesehen oder bemerkt, das sie alles andere vergessen ließ und das in Agamemnons eng begrenztem Blickfeld keinen Platz fand.
    Einer der La Fores trat vor, schob Semiramis dabei unsanft zur Seite, so daß sie gegen Agamemnon fiel. Er spürte ihre samtweiche Haut an der seinen, und Wärme durchrieselte ihn, die ihn den Schmerz und alles andere für eine Sekunde zwar nicht vergessen, aber doch erträglicher werden ließ.
    Seine Finger tasteten unauffällig nach den ihren, schlossen sich um ihre Hand, drückten sie.
    »Es ist vorbei«, flüsterte er kaum hörbar in dem, wie er selbst wußte, lächerlichen Versuch, sie über einen Schmerz hinwegzutrösten, den Trost und auch sonst nichts lindern konnte. »Es kann nicht mehr schlimmer werden.«
    Ihr Nicken erahnte er eher, als daß er es wirklich sah.
    »Ja«, sagte Semiramis lahm.
    Sie irrten sich ...
    Schatten lösten sich aus der Nacht, übertraten jene imaginäre Naht zwischen dem flackernden Feuerschein und der Dunkelheit. Harte Tritte auf staubigem Boden, schlagende und scharrende Hufe, erkannte Agamemnon.
    »Was ist?« fragte der Sklave leise.
    »Reiter«, antwortete Semiramis. »Soldaten ...« In ihrer Stimme war etwas, das Agamemnon auf unbenennbare Weise
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