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Die Verlorenen

Die Verlorenen

Titel: Die Verlorenen
Autoren: Vampira VA
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beunruhigte.
    »Yankees?«
    Er versuchte Hoffnung, die nicht recht keimen wollte, in seinen Tonfall zu legen. Er wollte glauben, daß es sich bei den Reitern dort, die er noch immer nur als blutige Schatten ausmachen konnte, um Unions-Soldaten handelte, die vielleicht endlich tief genug in den Süden vorgedrungen waren, um Lincolns Emanzipationsproklamation nötigenfalls mit Gewalt Geltung zu verschaffen - damit Greueltaten, wie Agamemnon und Semiramis sie heute nacht hatten erleiden müssen, endlich zu unseliger Vergangenheit wurden.
    Doch irgend etwas, das einem übelriechenden Hauch gleich in der Nacht lag, verriet dem Schwarzen, daß es nicht so war ...
    »Auch«, antwortete Semiramis heiser.
    »Auch?« echote Agamemnon.
    »Einige tragen die Uniform der Nordstaatler, einige die der Konföderierten«, erklärte Semiramis. Verwirrung und etwas, das ihre Stimme beben ließ, schwangen in ihren Worten mit.
    »Wer seid ihr?«
    »Was wollt ihr?«
    Zwei der La Fore-Brüder hatten gesprochen. Nicht halb so herausfordernd und provozierend jedoch, wie sie es beabsichtigt haben mochten. Die zahlenmäßige Überlegenheit der anderen schüchterte sie ein.
    Doch sie war nicht der alleinige Grund. Etwas ging von den bislang schweigenden Reitern aus, etwas Erstickendes, das nur eine Regung unangetastet ließ - Angst.
    »Euch!«
    Die Antwort peitschte durch die Nacht, und nicht nur Agamemnon zuckte unter dem Klang dieses einzelnen Wortes wie unter einem wirklichen Hieb zusammen.
    »Was soll das heißen?« fragte Vandermeere mit eigenartig fremder Stimme.
    »Wir wollen euch«, kam es zurück. »Und unseren Spaß.«
    »Ihr .«
    Weiter kam der Aufseher nicht. Ein Befehl ertönte am Rande des von den Fackeln erhellten Hofes und schnitt ihm das Wort ab.
    »Auf sie! Holt sie euch, meine Brüder!«
    Hufschlag klang auf, wurde lauter, kam näher. Agamemnon roch die Ausdünstungen der Pferde - und noch etwas anderes, Unangenehmes, Angstmachendes .
    Die Schatten, die die Reiter für ihn waren, wuchsen zu bedrohlicher Größe, und schließlich füllten sie den winzigen Bereich seiner Sicht zur Gänze aus. Hämisches Lachen brandete auf, vielfach schlimmer als das, mit dem die La Fores und Vandermeere ihr vorheriges Treiben begleitet hatten.
    Agamemnon spürte, wie Semiramis ihre Hand fester um die seine schloß - und ihn in der nächsten Sekunde mit sich riß. Irgend etwas hatte sie aus der Lethargie, in die sie sich zu ihrem eigenen Schutz begeben hatte, gerissen, urplötzlich und mit gewaltiger Kraft.
    »Was ...?« rief er mehr überrascht denn erschrocken.
    »Herr im Himmel!« entfuhr es Semiramis - und ein bösartiges Zischen und Fauchen antwortete ihr.
    »Semi, was ist?« wollte Agamemnon wissen.
    Gebrüll wurde laut, wild und barbarisch. Einige der Soldaten sprangen aus den Sätteln, andere sprengten davon, in jene Richtung, in der die Sklavenhütten lagen. Andere Schreie mischten sich darunter. Agamemnon erkannte die Stimmen als die der La Fores und Vandermeeres.
    »Was geschieht hier?« rief der Schwarze. Er wandte den Kopf im Versuch, etwas zu erkennen, doch mehr als tanzende und ineinander verschlungene Schatten aus Rot sah er nicht.
    »Diese Männer«, keuchte Semiramis, während sie Agamemnon weiter mit sich zog, »sie sind .«
    Er hörte nicht, was das Mädchen noch sagte.
    Etwas Steinhartes traf seinen Hinterkopf, ließ etwas unter seiner Schädeldecke in Schmerz und tausend Farben explodieren.
    Der Schmerz wuchs in rasendem Tempo der Grenze des Erträglichen entgegen. Die Farben verblaßten binnen einer einzigen Sekunde, wurden zu Schwärze, in die sich Agamemnon nur zu gern stürz-te.
    Denn die Schmerzen blieben jenseits der verschlingenden Finsternis zurück .
    *
    Rot wie Blut war das Licht des neuen Tages. Und wie Blut floß es auch vom östlichen Horizont heran, schwappte zäh über die Plantage und kroch träge an den Wänden des Herrenhauses hoch, alles mit einem kupferfarbenen Glanz überziehend.
    Doch es war nicht die aufgehende Sonne, die Agamemnon aus der Bewußtlosigkeit weckte. Nicht nur jedenfalls. Der Schmerz, der in seinem Hinterkopf pochte und glühende Wellen durch seinen ganzen Körper sandte, trug ebenfalls zu seinem Erwachen bei.
    Aber da war noch etwas .
    Der Sklave konnte es nicht zuordnen, nicht ohne die Quelle der Laute zu sehen. Er versuchte die Augen zu öffnen und schaffte es nicht. Blut und Tränen hatten den Staub, der ihm während der Nacht ins Gesicht geweht war, zu Klebstoff werden lassen, der
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