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Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Titel: Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug
Autoren: Eckart Klessmann
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russischen Feldzug mache ich ebensoleicht mit, wie ich ein Butterbrot esse!‹ Der General ward auf diese Äußerung sehr ernst und erwiderte: ›Herr Leutnant, ich will Sie an dieses Butterbrot erinnern!‹«
    Diese jungen Offiziere hatten in den Regimentern des Rheinbunds die Feldzüge in Österreich und Preußen mitgemacht, also unter den klimatischen Bedingungen Mitteleuropas, nie Hunger und Durst kennengelernt und immer im Bewußtsein, unter dem Befehl des größten Feldherrn des Jahrhunderts zu stehen: Napoleon. Der lippische Feldwebel Johann Friedrich Wilhelm Dornheim sprach aus, was damals wohl alle Soldaten, ob Deutsche oder Franzosen, empfanden: »Die großartigen Züge eines Alexander, eines Hannibal, Julius Cäsar usw. waren unsere Vorbilder und begeisterten Offiziere und Soldaten. Wir hatten Rußland schon erobert, wir marschierten nach der Türkei, wir befanden uns in Griechenland, wir berührten schon im Geiste denselben Boden, wo die Helden und Staatsmänner der grauen Vorzeit einst gewandelt hatten; kurz, auch wir hofften teil an dem Ruhme zu nehmen, die siegreichen Adler Napoleons bis an das Ende der Welt aufgepflanzt zu haben.«
    Sie alle waren Soldaten der Grande Armée . Die Württemberger Roos, Martens, Koenig und Suckow gehörten zur 25. Division im 3. Armeekorps unter dem Oberbefehl des Marschalls Michel Ney; Theodor Goethe zur 23. Division im 7. Armeekorps unter General Jean-Louis Reynier; Feldwebel Dornheim zur 34. Division im 11. Armeekorps unter Marschall Pierre Augereau. Diese Armee, deren Umfang alles übertraf, was man je in Europa gesehen hatte, bestand nicht einmal zur Hälfte aus Franzosen; überwiegend waren es fremde Kontingente, die ihre Haut für Napoleon, den Herrn Europas, zu Markte trugen: Deutsche, Österreicher, Schweizer, Dänen, Holländer, Italiener, Polen, Portugiesen, Spanier und Serbokroaten.Drei Monate lang zogen weit über eine halbe Million Soldaten aus allen Himmelsrichtungen quer durch Deutschland, und kaum einer zweifelte daran, als Sieger heimzukehren.

3. POMPÖSER AUFTAKT IN DRESDEN
    Das französische Kaiserpaar – Napoleon und Marie Louise – trafen am 16. Mai um 23 Uhr in Dresden ein. Wie schon vier Jahre zuvor, als sich Napoleon mit dem Zaren in Erfurt getroffen hatte, war jetzt auch in Dresden alles vereint, was sich in Deutschland an Fürsten aufbieten ließ. Nicht alle waren gern und so ganz freiwillig gekommen, am wenigsten Friedrich Wilhelm III., König von Preußen, dem es aber eine Genugtuung sein mußte, daß niemand so spontan von den Dresdnern bejubelt wurde wie er, wozu auch beitragen mochte, daß er zwei Jahre vorher seine junge Frau, die schöne Königin Luise, verloren hatte. Diese Ovationen fielen um so mehr auf, als Napoleon fast schweigend empfangen wurde, dabei hatten die Dresdner Behörden die Bevölkerung dringlich ermahnt, den Kaiser ausgiebig zu bejubeln.
    Während des Dresdner Treffens zogen in riesigen Kolonnen die Regimenter der Grande Armée durch die Stadt in Richtung Osten. Der Dresdner Schriftsteller Gustav Nieritz, der sie als Siebzehnjähriger sah, erinnerte sich später: »Noch sehe ich im Geiste die endlosen, glanzvoll ausgestatteten Scharen von Kürassieren, Ulanen, Husaren, Dragonern, berittenen Jägern und Gens d’armes über Dresdens Brücke wallen, sehe ihre gold- und silberblinkenden Helme mit den wehenden Pferdeschweifen, ihre prachtvollen zum Teil versilberten und vergoldeten Doppelkürasse, ihre feinen, bunten Uniformen, ihre blitzenden Säbel, ihre Piken, ihren ungeheuern Artilleriepark, das dichte Gewimmel der Infanterieregimenter mit ihren voranschreitenden Musikchören und langbärtigenZimmerleuten, welche, die ganze Breite der Brücke sowie der Straßen einnehmend, mit lustig klingendem Spiele ihrem schmählichen Untergange entgegenzogen. Am vorteilhaftesten zeichneten sich unter der ganzen Menge die holländischen Garden durch die Schönheit ihrer Gestalten und die Feinheit ihrer weißen Uniformen aus. Es gab unter ihnen, namentlich unter ihren Offizieren, Männer von einer solchen Schönheit, wie ich sie seitdem nicht wieder gesehen habe.«
    Den Kindern blieb vor allem das Phantastische im Gedächtnis. Ludwig Richter, später berühmt geworden als Maler und populärer Illustrator, beobachtete als Neunjähriger den nächtlichen Einzug des Kaisers inmitten seiner farbenprächtigen Garde im Fackelschein. »Besonders wunderbar kam mir eine Schar Mamelucken vor. Der Kaiser saß in einem Wagen mit seiner
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