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Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Titel: Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug
Autoren: Eckart Klessmann
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Bestand wurde täglich durch die Offiziere kontrolliert.« Im Tornister waren aber nicht nur 4,5 kg Mehl unterzubringen, sondern auch ein Paar mit Nägeln beschlagene Schuhe, drei Paar Sohlen, Nähzeug, zwei Hemden, eine Unterhose, ein Paar wollene Socken, eine Lagermütze, ein Paar Gamaschen, Rasierzeug, ein Eßbesteck (Löffel, Gabel, Messer, Korkenzieher), ein Taschenmesser, ein Kamm, ein Holzteller, ein Zinnbecher, Pfeife und Tabaksbeutel. Das Gewehr war 1,57 m lang und wog 4,37 kg. Am Koppel waren die Patronentasche mit 30 Patronen, der Infanteriesäbel, das Bajonett sowie die Feldflasche befestigt. Da bei starkem Regen sich der lederne Tschako mit Wasser vollsog, wurde ein mit Bienenwachs getränkter Leinenüberzug mitgeführt.
    Die Armee sollte aus den Magazinen versorgt werden, doch die in Elbing zum Beispiel waren leer. Man sollte sich zwar »nehmen, wo man könne«, doch letztlich mußten die Soldaten selber sehen, wie sie satt würden. In Posen machte die französische Verwaltung Schwierigkeiten, wie Leutnant von Suckow erlebte: »Man muß mit den Franzosen gedient haben, um sich von der Arroganz jener Mehlwürmer (wie man diese Commissaires ordonnateurs usw. in der Armee spottweise nannte) gegenüber von ihren deutschen Verbündeten eine Idee zu machen. Jeden Laib Brot, jedes Pfund Fleisch mußte man bei den Fassungen dieser Lebensbedürfnisse aus den französischen Magazinen erstreiten, ja mitunter fast buchstäblich erkämpfen. Hier wurde der Deutsche den Franzosen gegenüber immer höchst stiefmütterlich behandelt – nicht so freilich, wo es galt, den Plänen Napoleons auf dem Schlachtfelde Geltung zu verschaffen. Dort wurde unseres biederen Volkes Blut nicht geschont, ja ihm wohl oft der Vorrang gestattet, solches zuerst vergießen zu dürfen.« Das Verhältnis zwischen den Franzosen und ihren deutschen Verbündeten war schon vor Kriegsbeginn denkbar schlecht. Carl Sachs, Leutnantim leichten badischen Infanterie-Bataillon, vermerkte in seinem Tagebuch Ende Mai sogar einen Schußwechsel zwischen badischen und französischen Soldaten in Stettin.
    Besser war die Versorgung in der Festung Thorn, wo die württembergischen Soldaten neben den an sie ausgegebenen Lebensmitteln Ende Mai zusätzlich Nachschub aus der Heimat in Gestalt von 52 randvoll mit Zwieback bepackten Wagen erhielten, deren Inhalt freilich von den Soldaten zu all ihrem anderen Gepäck auch noch getragen werden mußte. Doch das alles reichte zur Ernährung nicht aus, zumal sich östlich von Thorn keine weiteren Magazine befanden. Den Soldaten blieb nichts anderes übrig, als bei den Bauern zu »fouragieren«, wie man damals die Lebensmittelbeschaffung nannte. Die Truppen wurden angewiesen, dabei mit der größten Schonung vorzugehen und zum Beispiel kein Saatgut mitzunehmen und den Bauern jene Pferde und Ochsen zu lassen, die für die Feldbestellung unerläßlich waren. Das wurde auch zum Teil beherzigt, aber eben nicht durchweg, und den Bauern nützten die ausgestellten Quittungen für ihr konfisziertes Gut gar nichts; sie konnten sie weder gleich noch später einlösen. Ein extremes Beispiel erlebte der Oberleutnant Johann Friedrich Gieße vom 5. westphälischen Infanterie-Regiment in Lubochnid: »Dieses Dorf stellte ein Bild der Zerstörung und des Jammers dar. Alle Bewohner waren wegen erlittener Mißhandlungen von früherer Einquartierung zur Flucht in die Wälder veranlaßt worden, hatten dabei Türen und Fenster ausgehoben, ihre Habe mitgenommen und die Häuser leer stehen gelassen.«
    Die rücksichtslose Vernichtung eines ganzen Dorfes blieb eine Ausnahme, die völlige Ausplünderung indes die Regel. Die Bauern, berichtet Leutnant von Suckow, »flüchteten in der ganzen Gegend ihr Vieh und ihre übrigen Habseligkeiten in die Wälder, und bei der Ankunft in einem Dorfe fand man meistens leere Häuser«. Gelang es dennoch, die geflohenen Bauern aufzufinden, so kam es zu »gröbsten Exzessen«. AuchRegimentsarzt Heinrich von Roos beschreibt solche Expeditionen, wobei man dann auch gelegentlich auf die Fouriere anderer Regimenter stieß: »Niemand ließ sich abweisen, denn keiner durfte leer zurückkommen, daher man sich in das Vorgefundene gewaltsam teilte. Auf diese Weise waren nun Scheunen, Speicher, Speisekammern und Rauchfänge ihrer Vorräte schnell entleert.« Und der Abtransport des Requirierten? »Die Ställe wurden geöffnet, das Zugvieh angespannt, die Fourage und Mundvorräte aufgeladen, das Schlachtvieh ebenfalls
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