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Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Titel: Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug
Autoren: Eckart Klessmann
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mitgenommen, hinten angebunden und marsch! zum Regiment.«
    Doch so einfach gelang das nicht immer. Korporal Friedrich Mändler vom bayerischen Bataillon »La Roche« (19. Division im 6. Armeekorps) erlebte die Unzuverlässigkeit des Fuhrparks: »Obwohl wir bei unserem Anmarsch von Plonsk und Wyszogrod einen Transport oder Konvoi von wenigstens hundert Wagen mit Mehl, Korn, Brot etc. beladen und bei 300 Stücke Schlachtvieh hatten, konnten wir, bei all unserer Sorgfalt und Aufmerksamkeit, doch kaum nur die Hälfte unseres Transportes und diese selbst nur in einem äußerst schlechten, besonders Brot und Mehl in beinahe ganz unbrauchbaren Zustande bei unserer Ankunft beim Armeekorps überliefern. Schon nach dem dritten oder vierten Marsche von der Weichsel hatten sich unsere Fuhrleute davongemacht und Pferde und Wagen im Stich gelassen; daher mußten unsere Soldaten selbst die Fuhrleute machen. Die polnischen Wagen, äußerst leicht und schlecht gebaut, konnten die Last, die sie trugen, nicht lange ertragen, sondern brachen einer nach dem andern zusammen. Deshalb mußten die Lasten von diesen Wagen auf die übrigen verteilt werden, hierdurch wurden die noch guten Wagen überlastet und brachen nach und nach ebenfalls zusammen. Die kleinen polnischen Pferde wurden durch Anstrengung, schlechte Fütterung, Mangel an Pflege ermattet und geschwächt, konnten nicht mehr fort und stürzten unterwegs zusammen. An Ersatz von Wagen undPferden war gar nicht zu denken, denn die große französische Armee nahm alle mit sich fort. Auch das Schlachtvieh litt; es wurde alle Tage 5–6 Stunden weit getrieben, fand wenig und schlechte Nahrung – höchstens eine gute Wiese war ihr Labsal –, magerte zusehends ab, fiel selbst auf der Straße um und blieb liegen. Das Brot, Mehl, die Früchte, Tag und Nacht unter freiem Himmel und beständig jedem Witterungswechsel ausgesetzt, mußten – obgleich wir sie durch Stroh und anderes gegen die Nässe zu schützen suchten – verderben. Es blieb uns zuletzt nichts übrig, als, um das Schlachtvieh und die Pferde noch zu erhalten, diese mit dem durch Nässe verdorbenen oder verschimmelten Brot zu füttern. Hierdurch wurden die Wagen erleichtert, die Pferde und das Vieh etwas gestärkt und so das wenige, was wir noch hatten, dem Armeekorps erhalten.« Auch Eduard Rüppell aus Kassel, 20 Jahre alt und Leutnant im 2. westphälischen Husaren-Regiment (8. Armeekorps), klagt über die schlechte Qualität der ihm in Warschau übergebenen Lebensmittel, von denen schon bald »die Maden alles in Besitz genommen und Hitze und Staub alles in Fäulnis gesetzt« hatten.
    Mehr Glück als bei den Bauern hatte man meist beim polnischen Adel. So erzählt Leutnant Wilhelm von Koenig, vom Chevauleger-Regiment Nr. 1 »Herzog Heinrich« (3. Armeekorps), wie seine Einheit »ein schönes Schloß, das den Reichtum seines Besitzers verriet«, gründlich inspizierte. »Speisekammer und Fruchtboden wurden sofort in Augenschein genommen und bestimmt, was den anderen Morgen davon forttransportiert werden konnte, denn wir blieben hier über Nacht. Da man zu diesem Zwecke wohl oder übel alles Zugvieh, daher außer Pferden auch Ochsen in Beschlag nehmen mußte, so traf dieses Los auch einen vierspännigen Zug sehr schöner Schecken, die man in dem Stalle des Edelmanns traf.«
    Mit drastischen Maßnahmen versuchten die napoleonischen Befehlshaber Ordnung zu wahren. »Niemand hatte was zu essen«, klagt auch der Soldat Jakob Walter, als sein Regiment inKalwarija einzog, »dann man sich in der Not alles erlauben muß, so konnte hier das ohnehin schon ausgeplünderte Städtchen nicht unbesucht bleiben, alle Soldaten liefen nach Wasser, Eßwaren, und so wurde auch den Einwohnern das Versteck an Vorrat aufgefunden und in das Lager gebracht, obgleich es polnisch und Freundesland war. Überdies beklagten sich die Einwohner von der Stadt bei unserm Kronprinzen, worauf Befehl kam, der erste Soldat, so aus dem Lager geht, werde erschossen, ich traf jedoch noch zu rechter Zeit zurück ein, der Ernst unseres Kronprinzen war so hochgestiegen, daß er mit dem Pistol vor die Front ritt und mehreren Soldaten den Schuß auf die Brust hielt, wo man glauben mußte, mehrere werden erschossen werden, allein die Not, nichts zu essen zu haben, mag der Einhalt gewesen sein.«
    Der deutschstämmige polnische Leutnant Heinrich von Brandt besuchte im Mai seine Eltern in Strzelnow: »Die Kontinentalsperre, welche endlosen Durchzügen der französischen
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