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Die verlorene Kolonie

Die verlorene Kolonie

Titel: Die verlorene Kolonie
Autoren: Anette Strohmeyer
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zum Expressway ab und waren kurz darauf mit 65 Meilen pro Stunde nach Süden unterwegs.
    Ben pfiff gutgelaunt die Melodie eines aus den Boxen dröhnenden Oldies von Rihanna nach. Das war sowas von retro – aber cool! Addy schenkte mir einen dampfenden Kaffee ein, und ich fühlte, wie meine gute Laune endlich wieder zurückkehrte. Wir waren auf der Straße!

    Bis Philadelphia kamen wir gut voran. Dort erwischte uns dann der morgendliche Berufsverkehr und verlangsamte unsere Fahrt, was unsere herausragende Stimmung allerdings nicht trüben konnte. Draußen schien die Sonne und vor uns lag der Highway. Naja, zumindest konnte man ihn unter der Blechlawine gerade so erahnen. Ich hatte mich zurückgelehnt und sah aus dem Fenster auf die an uns vorbeiziehende Skyline von Philly. Ich seufzte zufrieden. Wie hatte ich nur vergessen können, welchen Spaß es machte, unterwegs zu sein?
    Nachdem wir die Peripherie von Philadelphia hinter uns gelassen hatten, gewannen wir den Highway zurück und glitten lautlos über den Asphalt dahin – lautlos, bis auf Bens wüste Musik. Etwa auf der Hälfte der Strecke bei Wilmington, New Jersey, machten wir eine kurze Pause, in der ich mir ein zweites Frühstück genehmigte und meinen Freuden etwas von meinem Proviant abgab. Genüsslich kaute ich auf dem Thunfischsandwich herum und betrachtete die vorbeifahrenden Autos, als plötzlich eine schwarze Limousine auf den Rastplatz fuhr und wenige Schritte von uns entfernt parkte. Mir blieb fast der Bissen im Halse stecken! War das nicht genau der Wagen, der vor zwei Nächten in unserer Straße geparkt hatte? Viele gab es von diesen edlen Schlitten nicht. Und meistens gehörten sie tatsächlich irgendwelchen Regierungsbeamten.
    Ein Typ mit hellblauem Hemd und dunkler Krawatte stieg aus, holte sein Jackett vom Rücksitz und spazierte zum Diner hinüber. Auf dem Weg dorthin sah er sich nicht einmal zu uns um.
    „Habt ihr den gesehen?“, fragte ich meine Freunde.
    „Den Anzugträger?“, meinte Ben. „Der ist bestimmt auf dem Weg nach DC. Ist ja dieselbe Strecke.“
    Unauffällig trat ich ein paar Schritte um die Limousine herum und sah auf das Nummernschild. Es war ein offizielles Regierungskennzeichen mit einem „I“ an erster Stelle, was bedeutete, dass das Fahrzeug zum U.S. Department of the Interior gehörte.
    „Du hast recht“, sagte ich zu Ben, „der ist aus Washington.“ Nichts, worüber du dir Sorgen machen müsstest, Jerry Benchley , beruhigte ich mich.
    Wir brachen auf, bevor der Typ zurückkam. Der zog sich im Diner wahrscheinlich gerade einen saftigen Burger rein. Ich entkrampfte meine Gedanken wieder ein wenig und lehnte mich halbwegs entspannt in den Sitz zurück.
    Auf dem Highway drehte Ben die Musik auf und wir johlten zu dritt den Text mit.

    „Wo müssen wir überhaupt abfahren?“, fragte Addy einige Meilen hinter Baltimore.
    „In Millersville vom Interstate-Highway 97 auf die Route 3“, sagte ich. „Aber ich schau besser noch mal nach.” Ich holte die Ledertasche hervor und öffnete sie, um die Karten und Dokumente herauszuholen. Doch sie waren nicht da. Hektisch kramte ich die ganze Tasche durch und lehnte mich dann fieberhaft überlegend zurück. Ich hatte die Plastikhülle mit den Dokumenten doch gestern Abend eingesteckt! Wo waren sie geblieben?
    „Ben, kannst du mal kurz anhalten?“, fragte ich mit ernstem Tonfall.
    „Was? Hier mitten auf dem Highway?“
    „Fahr auf den Seitenstreifen!“, beharrte ich.
    Mit einem mürrischen Brummen tat Ben, wie ihm geheißen.
    Als der Van stand, drehte ich die Musik leiser und wandte mich an meine Freunde. „Die Dokumente sind weg!“, sagte ich. „Aber ich weiß genau, dass ich sie in diese Tasche gesteckt habe, und nun sind sie nicht mehr da!“
    Addy sah mich wortlos an.
    Ben runzelte die Stirn, dachte kurz nach und sagte dann: „Sicher?“
    „Ganz sicher.“
    „Dann hat sie jemand genommen … oder gestohlen“, mutmaßte Addy zaghaft.
    Ich blickte von einem zum anderen. „Ja.“
    „Und wer, bitteschön? Wer hat überhaupt davon gewusst, außer uns?“ Ben war ganz aufgebracht.
    „Nur noch Mr. Dudley, und der scheidet ja aus.“ Nervös rieb ich mir den Schweiß von der Oberlippe. „Ich verstehe das nicht, ich hatte die Tasche in meinem Zimmer. Die ganze Nacht! Und ich habe nichts gehört.“
    „Wer kann alles in dein Zimmer?“, wollte Ben wissen.
    „Mein Vater, obwohl der, glaube ich, gar nicht da war, und unsere Haushälterin Selma, aber die war auch
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