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Die Vergessenen Schriften IV

Die Vergessenen Schriften IV

Titel: Die Vergessenen Schriften IV
Autoren: Markus Heitz
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zum Abwarten gezwungen werden konnten, ehe sich das zweite Eisengatter hob und sie in die Stadt gelassen wurden.
    Der Eingang nach Güldenwand blieb zwar geöffnet, doch sie wurden bereits von einem Gerüsteten erwartet, dessen Abzeichen ihn als Hauptmann auswiesen. Er verneigte sich ebenfalls, die langen hellen Haare rutschten auf seine Brust.
    „Ich grüße die Dsôn Aklán mit Ehrfurcht“, empfing er sie. „Mein Name ist Trowain Großmann. Es sei Euch versichert, dass Güldenwand und seine Bewohner alles tun werden, um Euch den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen.“
    Firûsha lächelte ihm kalt zu und richtete den Blick ihrer blauen Augen auf ihn. Da die Sonne schien, war das Weiß darin in tiefes Schwarz gewandelt, was ihrem Volk eine zusätzlich einschüchternde Wirkung verlieh. „Das ist freundlich von dir. Ich nehme an, dass es auch so etwas wie einen Bürgermeister gibt?“
    „Natürlich, Dsôn Aklán, doch Haugar Jungar liegt krank danieder. Es ist etwas Ansteckendes, und so rate ich von einem Besuch ab.“ Trowain hielt den Blick weiterhin gesenkt. „Die Geschäfte teilen sich bis zu seiner Genesung Magistrat Gebert Münzler und ich.“
    „Dann führe uns in eine Unterkunft, die du für würdig genug hältst, und du wirst umgehend spüren, ob wir deine Einschätzung teilen.“ Firûsha ließ den Nachtmahr langsam vorwärtsgehen.
    Trowain schritt neben ihr her, hielt aber Abstand zum Maul mit den scharfen Zähnen des Hengstes. „Was bringt Euch nach Güldenwand, wenn ich fragen darf?“
    „Womöglich die Aussicht“, erwiderte sie, während sie sich durch die Gassen bewegten.
    Die Menschen wichen ihnen in Hauseingänge oder zwischen die Auslagen der Stände aus, die aufgebaut waren. Keines der steinernen Gebäude erhob sich höher als sechs Schritt, um den Winden und Böen nicht zu viel Angriffsfläche zu bieten. Die Dacheindeckungen waren aus Schiefer- und Holzschindeln, auf die kleinere Balken gelegt waren, um zusätzlichen Halt zu geben. Einfallslos. Trostlos. Hier können nur bedrückte Gemüter gedeihen.
    „Die Aussicht?“, wiederholte Trowain und musste lachen. „Die Aussicht auf was , Dsôn Aklán? Denn die Gipfel rings um Güldenwand könnt Ihr nicht gemeint haben. Soweit ich weiß, mögen Albae die Gebirge nicht sonderlich.“
    Firûsha fand ihn erfrischend gelöst in ihrer Gegenwart, ohne dass er unverschämt wurde. Und er ist neugierig. „Die Aussicht auf neue Erkenntnisse, Hauptmann“, präzisierte sie. „Mir kam zu Ohren, dass der Kordrion öfter am Himmel zu sehen war?“
    „Das entspricht der Wahrheit, Dsôn Aklán.“
    „Und? Welchen Grund hätte er dazu? Ich dachte, er lebt dort, wo sich die Unterirdischen vom Stamm der Fünften aufhalten.“ Sie schob ihren Nachtmahr schräg vor Trowain, sodass der Hauptmann stehen bleiben musste. „Was existiert innerhalb der Mauern, dass dieses Monstrum den Flug nicht scheut?“
    „Wenn wir es wüssten, Dsôn Aklán“, erwiderte er und hielt ihrem Blick ernst, doch ohne Furcht stand, „würden wir es ohne zu zögern entfernen. Es ist eine Sache, Tribut an Euch zu zahlen, aber von einem Wesen bedroht zu werden, das zerstörerischer als ein Drache zu sein vermag, das ist eine andere.“
    „Sieh an! Du hältst uns demnach für weniger zerstörerisch als einen Kordrion?“, gab Firûsha schneidend zurück und beugte sich nach vorne, ließ ein wenig Furcht gegen den Hauptmann prallen und sein Gemüt umhüllen. „Wie kommst du auf diesen törichten Gedanken, Barbar?“ Sie mochte es zu sehen, wie selbst die Stärksten erbebten und ihren Mut verloren, wenn die Angst sie packte. Sie lenkte ihren Rappen lachend wieder herum. „Bete, dass wir uns nicht herausgefordert fühlen, dir das Gegenteil zu beweisen.“
    Trowain blieb für die Dauer mehrerer Herzschläge stehen, dann holte er schnell zu der Albin auf. „Versteht mich bitte richtig, Dsôn Aklán“, bat er, und nun hörte sie deutlich die Sorge in seiner Stimme.
    „Das tue ich. Und gerade deswegen fühle ich mich herausgefordert“, erwiderte sie. „Wie kann ich als Herrscherin ernst genommen werden, wenn meine Untertanen eine andere Gefahr mehr fürchten als mich?“ Firûsha lächelte gnadenlos. „Was müsste ich daraus folgern?“
    „Die andere Gefahr auszuschalten oder Eure Untertanen …“ Der blonde Mann biss sich auf die Lippen. „Da drüben ist das Gasthaus, Dsôn Aklán. Es ist die Abendsonne “, schweifte er ab, um die Antwort schuldig zu bleiben, die
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