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Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Titel: Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube
Autoren: Christopher Ride
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Glocken in ihrer ganzen Herrlichkeit läuten. Dann hob eine Melodie an, die so lieblich war, als sängen die Engel an Gottes Seite. Der klare, helle Klang der zwölf Glocken von Cusco war Juan so vertraut wie der Kuss seiner Mutter. Er hatte mit seinen Eltern und Brüdern keine fünf Kilometer von diesem Platz entfernt gewohnt und oft voller Vorfreude die Sekunden gezählt, bis die Glocken erklangen, was sie jeden Morgen und Nachmittag taten.
    Juan schloss die Augen und schwelgte in Erinnerungen.
    Sein jüngerer Bruder Corsell war ein guter Bruder gewesen. Dieses Jahr würde er einundzwanzig werden, er selbst dreiundzwanzig. Als Jungen hatten sie sich immer nahegestanden, erst in den vergangenen Jahren hatte sich das geändert, wie bei vielen, wenn sie erwachsen wurden. Corsell war zum Militär gegangen, und er selbst arbeitete als Büchsenmacher bei seinem Vater.
    Juan schreckte aus seinen Gedanken hoch, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte, und fuhr unter der unerwarteten Berührung jäh zurück.
    »Ruhig, mein Junge«, sagte Monseñor Pera wohlwollend.
    »Sie haben mich erschreckt, Vater!« Juan versuchte, seinen aufgeregten Atem zu zügeln.
    »Du hättest schon vor Wochen zurück sein sollen«, flüsterte der alte Priester. Er trug eine schwarze Kutte und ein Seil um die Taille. Offensichtlich war er gerade erst ins Freie getreten, denn der Regen perlte noch von dem schweren Stoff ab. Um den Hals trug er ein großes Silberkreuz an einer dicken silbernen Kette. »Alle sind sehr besorgt.«
    »Es war schwieriger, als Sie sich vorstellen können«, sagte Juan.
    »Wo ist Jesu´s?« Der Priester sah sich suchend nach dem jungen Novizen um.
    Juan schluckte. »Ich habe eine schlechte Neuigkeit, Vater. Jesu´ s ist in den Bergen von einem Felsen gestürzt und dabei umgekommen.« Er fasste die Hand des Geistlichen und fiel auf ein Knie. »Ich habe alles getan, um ihn zu schützen, Padre! Aber er kam in den Bergen nicht zurecht. Das hat ihn das Leben gekostet.«
    Monseñor Pera bekreuzigte sich. »Ich hatte befürchtet, dass so etwas passiert. Und ich sehe, dass sich meine schlimmste Ahnung bewahrheitet hat. Gott sei Dank, dass wenigstens du unversehrt zu uns zurückgekommen bist. Hast du die untergegangene Stadt gefunden?«, fragte er gedämpft, damit sie niemand hörte.
    »Ist Corsell am Leben?«, fragte Juan, statt zu antworten.
    Monseñor Pera lächelte ihn an und zog Juan hoch. »Selbstverständlich ist dein Bruder am Leben. So
    war es vereinbart, mein Sohn.«
    Juan kannte den alten Mann von klein auf und hatte keinen Grund, ihm nicht zu glauben. Der Geistliche war bei der Vermählung von Juans Eltern Novize gewesen. Das war über fünfundzwanzig Jahre her. Und jetzt war er Monseñor in der größten Kirche Perus und war Bischof Francisco unmittelbar unterstellt, einem Mann, den Papst Pius ernannt hatte.
    Flüsternd fragte der Geistliche: »Konntest du den Schatz herschaffen?«
    Juan schlug das Herz so laut in der Brust, dass er meinte, sie müsste platzen. Wenn er mit dem Ding abhauen wollte, dann jetzt.
    »Das Leben deines Bruder hängt daran«, gab der Priester zu bedenken.
    Der Regen wurde etwas stärker, und aus den Sekunden wurden Minuten.
    »Der Einzige, der deinen Bruder retten kann, bist du, mein Sohn. Ich möchte nicht einmal daran denken, welch schreckliche Folter dem Jungen bevorsteht, wenn ihm die Dämonen ausgetrieben werden müssen.«
    Juans Blick schweifte zur Satteltasche auf dem Hinterteil seines Esels. »Es ist genau, wie der Bischof gesagt hat«, erklärte Juan mit einem Stoßseufzer. »Eine so herrliche Kostbarkeit, dass der bloße Anblick die Seele erhebt.«
    »Ich bin sehr zufrieden.« Monseñor Pera lächelte. »Komm, wir sollten hineingehen. Der Bischof wird heute Abend zurückkommen, und wir können ihn mit guten Neuigkeiten empfangen.«
    Juan folgte dem alten Priester die Stufen der Kathedrale hinauf und zog seinen Esel dabei hinter sich her. Kein Wort fiel, während sie sich dem Portal näherten.
    »Vater, wenn Sie es sehen, werden Sie sich sicher selbst fragen, warum ich mich nicht einfach damit aus dem Staub gemacht habe – solch eine Schönheit – trotz der schrecklichen Folgen für Corsell und meine Familie.«
    »Du hast es nicht getan, weil du ein guter Mensch bist.« Monseñor Pera drückte den Türflügel auf und betrat die Kirche.
    Juan schauderte bei diesen Worten. Er war kein guter Mensch, und er wusste das. Er führte den Esel in das Mittelschiff, und als die Tür mit
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