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Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Titel: Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube
Autoren: Christopher Ride
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»Sie und Ihr Team haben das verbockt, und ich allein soll es ausbaden! Himmel noch mal! Hätten Sie mich früher informiert, hätte ich noch aussteigen können.«
    »Sie sind der Aufseher«, hielt Davin ihm ruhig entgegen. »Aussteigen ist keine Option.«
    Das Gebrüll der Menschenmenge holte Wilson in die Realität zurück. Einer der Soldaten sah ihn die Treppe hinaufsteigen und wies ihn mit energischer Geste zurück. Doch Wilson bremste seinen Schritt nicht, sondern senkte nur den Kopf, sodass ihm das Regenwasser aus der Hutkrempe floss.
    »Sie müssen umkehren!«, schrie ihm der Soldat zu.
    Wilson blickte nicht einmal auf.
    »Die Kathedrale ist gesperrt!«
    Wilson wollte erwidern, dass er extra aus dem Ausland käme, um in dieser Kirche zu beten, und den Mann dann mit religiösem Gewäsch einlullen. Doch als er den Blick hob und zum ersten Mal seit seiner Ankunft auf die Fassade der Kathedrale schaute, wurde ihm eiskalt.
    Am rechten Glockenturm hing ein nackter Mann an einem großen Kreuz – einen grausameren Anblick konnte Wilson sich nicht vorstellen. Die Hände und Füße waren mit riesigen Stahlschrauben am Holz befestigt, der Mann war gekreuzigt worden. Seine blicklosen Augen waren offen, die schwarze Zunge hing heraus. Sein nackter Körper wies unzählige Blutergüsse auf, die ihm dem Aussehen nach einige Tage vor seinem Tod zugefügt worden waren. Er war auf qualvolle Weise gestorben.
    Wilsons Puls beschleunigte sich. Eine Kreuzigung an der Außenmauer der Kathedrale war im Jahr 1908 nicht vorgesehen, ebenso wenig wie der Mord an einem Priester in der Kathedrale.
    Der Soldat kam jetzt eilig auf ihn zu. »Sie müssen den Vorplatz verlassen, Fremder«, sagte er. »Sie müssen umkehren, oder wir nehmen Sie fest.«
    »Wer ist der Mann?«, fragte Wilson unwillig.
    »Sie müssen den Vorplatz verlassen!«
    Wilson zeigte auf den Toten am Kreuz. »Sagen Sie mir, wer der Mann ist und warum er da hängt!«
    Der Soldat warf einen Blick über die Schulter zu seinem Hauptmann, aber der hatte nicht die Absicht, sich mit dem Ausländer zu befassen. Seinem besorgten Gesicht nach zu urteilen, behielt er lieber die wütende Menge im Auge.
    »Ich muss mit Ihrem Vorgesetzten sprechen!« Wilson machte einen Schritt an dem Soldaten vorbei.
    »Das dürfen Sie nicht, Señor!«
    Wilson gab sich so aufgebracht, wie ihm gerade noch ratsam schien, und fuhr zu dem Mann herum. »Ich bin ausländischer Diplomat! Begreifen Sie das? Ich habe viel mit Ihrem Präsidenten in Lima zu tun. Er ist ein Freund von mir und meiner Regierung. Sie müssen mir sagen, wer der Mann da oben ist, sonst bekommen Sie Ärger, mein Junge.«
    Der Soldat wirkte nun sehr aufgeregt.
    Der Hinweis auf gute Beziehungen nach oben, selbst wenn es diese gar nicht gab, schien auch in Südamerika eine gute Taktik zu sein, um weiterzukommen. Besonders weiße Ausländer wurden häufig mit Ehrerbietung behandelt, und die Einheimischen befolgten ihre Anweisungen, vor allem wenn sie energisch ausgesprochen wurden.
    »Sie müssen es mir sagen«, verlangte Wilson wieder.
    »Das darf ich nicht, Señor.«
    »Ich denke, Präsident Pardo wird über das Geschehen hier entsetzt sein«, brüllte Wilson. »Und ich werde ihm sagen, dass auch Sie dafür verantwortlich sind!«
    »Bitte, Señor, das Militär hat damit nichts zu tun. Das da«, er deutete nach oben, »ist auf direkte Anordnung des Bischofs geschehen.«
    »Sie nennen mir jetzt den Namen des armen Teufels, der da hängt, und das Verbrechen, das er begangen hat. Dann verlasse ich die Treppe, ohne Ihnen Ärger zu machen. Wenn Sie es mir nicht sagen, melde ich Ihre mangelnde Kooperationsbereitschaft meinen Kontakten in der Regierung. Das kann weitreichende Folgen für Sie haben.«
    Während die Menschenmenge dem Toten ihre Beleidigungen entgegenschrie, bemerkte Wilson, dass die Leute ihn auf der Treppe gar nicht wahrnahmen.
    Der Soldat warf einen raschen Blick nach beiden Seiten. »Aber dann entfernen Sie sich?«
    »Auf der Stelle«, versprach Wilson.
    »Er heißt Corsell Santillana, Señor.« Der Soldat schaute schuldbewusst zu der Menge hin, als wollte er nicht, dass sie ihn hörte. »Er war ein Kamerad, ein Soldat wie ich. Ich kannte ihn persönlich. Vor drei Wochen ist er in die Berge desertiert. Wir hörten nichts mehr von ihm, bis er mit dem blutigen Messer in der Hand neben Monseñor Pera in dieser Kirche gefunden wurde.« Er zeigte auf das Portal. »Mehr weiß ich nicht, Señor.«
    »Und der Bischof hat ihn kreuzigen
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