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Die vergessene Generation: Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen

Die vergessene Generation: Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen

Titel: Die vergessene Generation: Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen
Autoren: Sabine Bode
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bestätigen es«, fügte sie hinzu, und auf ihrem Gesicht erschien ein kleines, hoffnungsvolles Lächeln.
Die Kriegskinder und die mediale Öffentlichkeit
    Erst seit wenigen Jahren ist »Kriegskinder« eine Generationsbezeichnung. Zuvor sagten diese Jahrgänge von sich: »Wir sind die Nachkriegsgeneration.« Auch Helmut Kohl sah sich so – er wurde 1930 geboren. Drei Viertel seiner Kabinettsmitglieder gehörten diesen Jahrgängen an – also etwa von 1930 bis 1945. Sie sprachenvom Krieg, aber beiläufig. Sie sagten: Das war für uns normal, das haben wir doch alle erlebt. So empfinden es Kinder. Das heißt: Sie verharrten auch noch als Erwachsene in dieser Kinderhaltung und waren davon überzeugt, prägend seien für sie die Fünfzigerjahre gewesen. Erst jetzt, im Alter, sagen sie: Wir sind die letzte Kriegsgeneration.
    Es ist an dieser Stelle wichtig, sich klarzumachen, wie unterschiedlich in den Nachkriegsjahrzehnten mit den Themen Krieg und NS-Vergangenheit umgegangen wurde und welche Perspektive wann dominierte. Seit den Siebzigerjahren, vor allem seit die amerikanische Fernsehserie »Holocaust« gesendet worden war, galt das Thema »Die Deutschen als Opfer« als kulturell nicht mehr erwünscht. In den Medien, an den Schulen, in der Forschung ging es fast ausschließlich um die Fakten und Hintergründe von Hitler-Deutschland, um die Opfer der NS-Verbrechen. Vor diesem Paradigmenwechsel hatten die Deutschen sehr wohl darüber geklagt, wie sehr sie im Krieg, in der Gefangenschaft und während der Nachkriegsarmut gelitten hätten. Die Not und die totalen Verluste der Heimatvertriebenen waren im Westen des geteilten Deutschlands ein unüberhörbares öffentliches Thema (im Osten sorgte die SED dafür, dass alles totgeschwiegen wurde).
    Fest steht: Der Umgang mit der unheilvollen deutschen Geschichte vollzog sich in auffälligen Kehrtwendungen. Als »Die vergessene Generation« 2004 erschien, war zunächst nicht klar, wie die Thematik gesellschaftspolitisch aufgenommen würde. Ich war auf Gegenwind vorbereitet und stellte mir vor, wenigstens die Hälfte der Rezensenten werde mir vorwerfen, ich hätte die Deutschen als Opfer stilisiert. Und genau so stand es dann auch in einer der ersten Kritiken (»Stuttgarter Zeitung«). Hauptvorwurf: Die Autorin argumentiere »vulgärpsychologisch«. Dem Buch fehle es an Tiefe und Substanz. Und schließlich der Satz: »Der Klett-Cotta-Verlag muss sich die Frage gefallen lassen, warum er nun auch auf der Wir-sind-doch-alle Opfer-Welle mitreitet.« Es sollte der einzige Verriss dieser Art bleiben. Offenbar hatte schondamals ein Umdenken begonnen. Die Leiden in der deutschen Bevölkerung zu ignorieren galt nicht mehr als zeitgemäß.
Der Deutschland-Reflex
    Die öffentliche Debatte über die deutsche Schuld und die Sorge, in Deutschland sei die Demokratie aufgrund seiner unheilvollen Geschichte gefährdeter als anderswo, sind seit 2005 deutlich schwächer geworden – in dem Maße, wie Fernsehsendungen über die leidvollen Erfahrungen durch Krieg und Vertreibung zunahmen. Ob es früher ein Zuviel an Medienbeiträgen über Nationalsozialismus und Holocaust gegeben hatte? Immer wieder haben sich Ausländer dazu geäußert, unter anderem Cees Nooteboom in seinem Roman »Allerseelen« von 1998. Geschildert wird darin ein Einzelgänger, ein Niederländer, der den Unfalltod seiner Frau und seines Sohnes nicht verkraftet hat und dessen dunkle Grundstimmung sich mit der »Melancholie« der deutschen Hauptstadt Berlin verbindet: »Er war nun schon lange genug hier, um zu wissen, dass im Gegensatz zu im Ausland oft gehörten Behauptungen die ewigen Selbsterforschungen, in welcher Form auch immer, nie aufhörten, dafür brauchte man nur während einer beliebig ausgewählten Woche das Wort Jude in allen Medien zu zählen, eine mal unterschwellige, mal offen zutage tretende Obsession, die nach wie vor in dem mitschwang, was sich schon lange zu einer gut funktionierenden liberalen, modernen Demokratie entwickelt hatte.«
    Doch dann geschah etwas Überraschendes: Die Fußballweltmeisterschaft 2006 verwandelte Deutschland in einen sommerlichen Garten, in dem die deutschen Fahnen blühten. Das Verhältnis zum wesentlichen Symbol der Nation hatte sich entkrampft. Dies wurde nicht nur von der deutschen Öffentlichkeit überwiegend begrüßt, sondern auch in den ausländischen Medien. Ein Meer von schwarz-rot-goldenen Fahnen hat den Deutschland-Reflex von vielen Millionen Staatsbürgern
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