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Die Verfuehrerin

Titel: Die Verfuehrerin
Autoren: Jude Deveraux
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Sinnestäuschung auszuschließen, war sie sich dessen, was sie dort wahrnahm, ziemlich sicher. Irgendwie wußte sie, daß es ein Lagerfeuer war, das man ihretwegen angezündet hatte. »Sonst würde uns Ty nicht so nah an das Feuer heranlassen«, murmelte sie vor sich hin.
    »Mr. Prescott«, rief sie, und es gelang ihr, ihn aufzuwecken, so daß er sich im Sattel aufrichtete. »Schauen Sie mal nach vorn!«
    Mit neu erwachter Energie trieben sie ihre Pferde auf das Feuer zu, und jetzt konnte Chris nur noch daran denken, daß man ihr endlich erlauben würde, anzuhalten und zu schlafen. Ihr Pferd hatte noch gar nicht angehalten, als sie bereits die Riemen zu lösen begann, mit denen ihre Bettrolle an der Sattelpausche befestigt war.
    Als sie schließlich anhielten, warf Chris ihr Bettzeug einfach auf den Boden, ließ sich dann selbst darauf fallen und war im Nu eingeschlafen.
    Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie geschlafen hatte, als sie etwas weckte. Sie öffnete die schweren Lider. Es war noch dunkel; aber da lag schon eine schwache Andeutung von Morgendämmerung in der Luft, und darin konnte sie die Umrisse eines Mannes erkennen, der einen breitkrempigen Hut trug und mit fast lautlosen Bewegungen die Pferde absattelte und sie mit Wasser und Futter versorgte.
    Sie beobachtete ihn in ihrem Dämmerzustand, und selbst dann, als er sich auf sie zubewegte, vermochte sie sich nicht von ihrer Schlaftrunkenheit zu befreien.
    Er kniete bei ihr, und es schien die natürlichste Sache der Welt zu sein, daß er sie in seine Arme zog. Wie ein kleines, schlafendes Kind lächelte sie nur und kuschelte sich an ihn.
    »Sie liegen auf Ihren Decken«, sagte er mit dieser Stimme, die ihren ganzen Körper in Schwingungen zu versetzen schien. »Sie werden sich erkälten.«
    Sie nickte nur einmal, während er die eine Decke unter ihr glattzog und die andere dann über ihr ausbreitete. Nur einen Moment lang, als er sich vorbeugte, um die Decke an ihrer rechten Seite festzustecken, hatte sie das Gefühl, daß er mit seinen Lippen ihrer Stirn ganz nahe war, und sie lächelte mit geschlossenen Augen. Es war wie ein Gutenachtkuß von ihrem Vater. »Gute Nacht, Ty«, flüsterte sie und war in der nächsten Sekunde wieder eingeschlafen.
    Als sie zum zweitenmal erwachte, war es heller Tag. Zunächst glaubte sie zu träumen, denn sie war von einer phantastischen Landschaft umgeben. Riesige, gigantische Bäume ragten über ihr auf, welche die Sonne verdunkelten. Alles war mit graugrünen Moosen oder Farnen bedeckt, alles so weich und federnd. Ihr war, als befände sie sich am Ende der Welt.
    In der Nähe lag Mr. Prescott und schlief tief und fest. Chris hatte ein Gefühl, als wäre sie der einzige lebendige Mensch auf Erden.
    Langsam wickelte sie sich aus ihrer Decke, stand auf und streckte sich. Nicht das leiseste Geräusch war in diesem unheimlichen Wald zu vernehmen. Vor ihr erkannte sie so etwas wie einen Pfad, nicht viel mehr als eine Furche im Grünen. Sie waren von rechts gekommen, also wandte sie sich nach links.
    Sie war nur wenige Schritte vom Lager entfernt, aber als der Pfad eine Biegung machte, fühlte sie sich vollkommen verlassen. Sie hätte ebensogut hundert Meilen von jedem menschlichen Wesen entfernt sein können. Sie ging noch ein paar Meter auf dem federnden Waldboden weiter, und sie glaubte nun, vor sich ein rinnendes Wasser zu hören.
    Noch ein Dutzend Schritte, und nun konnte sie unter sich und zu ihrer Rechten ein rasch fließendes Gewässer erkennen, mit mächtigen Steinblöcken im Wasser, die mit schwarzen Moosflecken bedeckt waren. Plötzlich hatte Chris nur noch einen Gedanken: das Bad nachzuholen, das sie vor zwei Tagen versäumt hatte. Voller Bedauern dachte sie an den Zuber mit heißem Wasser zurück, das sie unbenützt hatte zurücklassen müssen. Warum hatten die beiden Männer nicht im Schrank bleiben können, bis sie ihr Bad genommen hatte? Natürlich hätten sie vielleicht so lange im Schrank gewartet, wenn sie nicht eine der Türen geöffnet hätte. Sie hatten dort gewartet und sie beobachtet, dachte sie mit einer Grimasse, während sie zu dem Flüßchen hinunterlief.
    Nun war sie nur noch von dem Wunsch besessen, sich zu säubern, und im Nu hatte sie sich ihrer Kleider entledigt und watete in das Wasser hinein. Es war eiskalt und verschlug ihr den Atem; aber das Bedürfnis nach Sauberkeit war größer als jenes nach Wärme. Sie wusch sich hinter einer Ansammlung von Felsblöcken, so daß keiner von den beiden
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