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Die Verfuehrerin

Titel: Die Verfuehrerin
Autoren: Jude Deveraux
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nicht«, sagte er, ihr offenbar gar nicht zuhörend. »Sie können sich dann ja immer noch bei Ihrem Vater beschweren; aber zuerst bringen wir Sie heim. Haben Sie mich verstanden?«
    »Aber da ist eine Story, die ich...«
    »Chris«, unterbrach er sie, und die Weise, wie er ihren Namen aussprach, brachte sie abermals in Versuchung, zu ihm hochzublicken. Doch wieder ließ er nicht zu, daß sie sein Gesicht sah. »Chris, Sie müssen nach Hause zu Ihrem Vater. Ich werde Sie nun wieder freigeben und möchte, daß Sie sich anziehen. Anschließend lasse ich Prescott wieder aus dem Schrank. Ich werde draußen mit den Pferden auf Sie warten. Packen Sie nur zusammen, was Sie unbedingt für die Reise brauchen. Wir werden den Weg durch den Regenwald nehmen und einige Tage unterwegs sein. Also packen Sie auch Regenkleidung ein.«
    »Durch den Regenwald? Aber der Regenwald ist doch unpassierbar!«
    »Es gibt eine Möglichkeit, ihn zu durchqueren. Ich kenne diese Route. Befrachten Sie Ihren hübschen Kopf nicht mit solchen Sorgen, sondern machen Sie sich lieber reisefertig.«
    »Ich muß meine Story zu John Anderson bringen«, sagte Chris. Sie schien es nicht sehr eilig zu haben, sich wieder von diesem Mann zu lösen, und in den letzten Minuten waren ihre Hände einige Male sogar zu seinen Hüften gegangen. Sie umarmte ihn zwar nicht gerade, aber als Wegschubsen konnte man das auch nicht bezeichnen.
    »Wer ist John Anderson?«
    »Mein Freund und der Herausgeber einer Zeitung. Er war der erste, der Hugh in Verdacht hatte, Gewehre an die Indianer zu verkaufen.«
    Er bewegte den Kopf, bis sein Gesicht in ihren Haaren begraben war, und sie hätte schwören können, daß sie seine Lippen auf ihrem Scheitel spürte. »Darüber können wir später noch reden, aber jetzt müssen wir aufbrechen. Wir haben uns sowieso schon viel zu lange hier aufgehalten. Sie müssen sich jetzt anziehen, damit wir losreiten können.«
    Chris wartete, daß er sie losließe; doch statt dessen streichelte er ihre Schulterblätter. »Ich dachte, ich soll mich anziehen.«
    »Frieren Sie?«
    »Nicht im geringsten. Ich bin lediglich das Opfer eines Entführers, den mein Vater geschickt haben kann oder auch nicht. So, wie ich ihn kenne, sind Sie höchstwahrscheinlich in seinem Auftrag hier, und ich stehe nun in meinem Geburtskleid in diesem Zimmer und muß mir die Luft von einem Mann abdrücken lassen, den ich noch nie in meinem Leben gesehen habe und der sich mir nicht einmal vorgestellt hat. Wollen Sie mich jetzt bitte gehen lassen, damit ich mir etwas anziehen kann?«
    »Ja«, sagte er mit seiner tiefen Stimme, machte jedoch keine Anstalten, seine Zusage zu erfüllen.
    Da gab Chris einen Laut von sich, der sich wie ein Mittelding zwischen einem Wutschrei und einem Protest anhörte, worauf sich der zweite Mann, der in den letzten Minuten überraschend schweigsam gewesen war, hinter der Schranktür vernehmen ließ:
    »Wenn du ihr etwas antust, Tynan, wirst du mir das büßen müssen!«
    Der Mann, der Tynan gerufen wurde, hielt sie aber noch einige Sekunden lang fest, ehe er sie mit einem Seufzer, der aus dem Grunde seines Herzens zu kommen schien, freigab. Dabei drehte er sich der Kommode zu - beides gleichzeitig, wie es den Anschein hatte.
    Chris packte eine Ecke der Tagesdecke; doch sie brauchte sie nicht, da er ja mit dem Rücken zu ihr bei der Kommode stand und mit den Gegenständen spielte, die darauflagen. Die Decke um den Leib gewickelt, ging sie zum Schrank und öffnete dessen linke Hälfte, um ihm ein sauberes Reitkleid zu entnehmen.
    »Ich brauche Wäsche, und die befindet sich in der Kommode«, sagte sie dann zu Tynans Rücken. Soweit sie etwas von ihm sehen konnte, vermochte sie ihn als einen großen, breitschultrigen, schwarzhaarigen Mann zu beschreiben, der vollkommen neu eingekleidet war. Von den Stiefeln über den Revolver und das Holster, das ihm tief an der Hüfte saß, bis hinauf zu seiner braunen Lederweste und dem blauen Cambrai-Hemd war alles, was er auf dem Körper trug, funkelnagelneu. Und seit er sie losgelassen hatte, war ihm kein Ton mehr über die Lippen gekommen, und nun trat er zur Seite und starrte die Wand an, als wäre sie von größtem Interesse für ihn.
    Chris holte Unterwäsche aus der Schublade, wobei sie die ganze Zeit versuchte, einen Blick auf sein Gesicht zu werfen, was ihr jedoch nicht gelang; und als sie sich wieder in die Mitte des Zimmers zurückzog, um sich dort anzuziehen, nahm er seinen alten Platz an der Kommode
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