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Die Verfuehrerin

Titel: Die Verfuehrerin
Autoren: Jude Deveraux
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gegen einen Baumstamm. Die Knie wollten ihr vor Müdigkeit unter dem Leib einknicken. »Ich habe das Gefühl, da stimmt etwas nicht mit Ihrem Tynan«, sagte sie zu Asher und beobachtete ihn durch halbgesenkte Wimpern. Zuweilen war die beste Methode, jemand zu einer Auskunft zu bewegen, indem man so tat, als wollte man sie gar nicht wissen. »Ich habe den Eindruck, er hat Angst, daß man ihn anschauen könnte, als wäre er entstellt oder müsse sich aus anderen Gründen davor hüten, sein Gesicht zu zeigen.
    »Er ist nicht mein Tynan«, erwiderte Asher mit einem beleidigten Gesicht. »Wenn er jemandem gehört, dann Ihrem Vater. Er hat ihn angeheuert.«
    »Wissen Sie, warum wir durch den Regenwald reiten?« fragte Chris, einen neuen Ansatz wagend. »Das scheint mir ein großer Umweg zu sein.«
    »Ist es auch«, antwortete Asher und sah dabei zwischen die Bäume.
    Chris war seit vielen Jahren Reporterin und daran gewöhnt, Leute zu interviewen. Und sie hatte einen sechsten Sinn dafür entwickelt, wenn jemand nicht die Wahrheit sagte. Vielleicht belog sie dieser Mann nicht direkt; aber die ganze Wahrheit erzählte er ihr auch nicht.
    Ehe Chris ihn weiter ausfragen konnte, ertönte ein Pfiff zwischen den Bäumen. Gehorsam wie ein Hund erhob sich Prescott vom Boden und begann die Sachen wieder einzupacken.
    »Sagen Sie- bekommt man diesen Mr. Tynan niemals zu Gesicht?« fragte Chris, als sie sich auf ihr Pferd schwang.
    Asher sah sie betroffen an. »Warum sind Sie denn so an ihm interessiert?«
    Chris beobachtete, wie Asher sich in den Sattel schwang. Er ging dabei so vor, als wäre er mehr an den Komfort einer Kutsche als an einen Pferderücken gewöhnt. »Ich bin von Berufs wegen neugierig. Auf Grund welcher Qualifikation führt Mr. Tynan uns durch den Regenwald?«
    Asher zuckte mit den Achseln, während er in den Sattel stieg. »Wahrscheinlich, weil er schon einmal durch diesen Wald geritten ist; aber er ist schon ein seltsamer Vogel. Er meidet jeden Kontakt mit Menschen, legt sich immer außerhalb des Lagerplatzes zum Schlafen nieder und möchte mit anderen Leuten weder zusammen reiten noch reden. Und wenn Sie ihm eine Frage stellen, die ihn selbst betrifft, verweigert er die Antwort. Ich hätte wirklich gern gewußt, wo Ihr Vater ihn herhat.«
    »Wie ich meinen Vater kenne, würdest du das wahrscheinlich lieber nicht so genau wissen wollen«, sagte Chris leise zu sich selbst. Und wenn sie nach Hause kam, würde sie ihrem Vater sehr deutlich sagen, was sie von dieser lächerlichen Entführung hielt.
    Bei Sonnenuntergang hörten sie wieder dieses Pfeifen. Asher gab ihr das Zeichen, anzuhalten, und entfernte sich zwischen den Bäumen. Ein paar Minuten später kam er mit zwei frischen Pferden zurück.
    »Haben Sie ihm nicht gesagt, daß wir vielleicht gern ein paar Stunden rasten würden?« fragte Chris, als sie auf das neue Pferd stieg.
    »Und ob ich ihm das gesagt habe«, erwiderte Asher. Er sah müder aus, als sie sich fühlte. Offenbar war sie besser als er daran gewöhnt, weite Strecken im Sattel zurückzulegen, dachte sie bei sich. »Aber wir müssen weiter. Ty will den Rand des Regenwaldes erreichen, ehe wir eine Rast einlegen. Aber wenn wir erst einmal dort sind, sagt er, können wir uns einen ganzen Tag lang ausruhen.«
    »Ty«, murmelte Chris, während sie sich in den Sattel schwang. Und während der nächsten Stunden, die sie wieder im Trab und Schritt zurücklegten, dachte sie über diesen geheimnisvollen Mann nach, der in ihr Zimmer eindrang und sie festhielt, sie beim Anziehen beobachtete und dann verschwand, um sie durch einen Wald zu führen, der nach Meinung der Indianer verwunschen war. Und warum hatte ihr Vater diesen Mann angeheuert? Und wer war Prescott? Er schien sich in dieser Gegend nicht besser auszukennen als sie, und dennoch machte er fünfzig Prozent der Rettungsmannschaft aus, die ihr Vater ihr nachgeschickt hatte. Was hatte ihr Vater sich dabei gedacht?
    Chris hatte genügend Zeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen; denn sie ritten die ganze Nacht hindurch. Die Fragen hielten ihren Geist wach, so daß sie nicht dem Gefühl totaler Erschöpfung erlag, das sich in ihrem Körper immer stärker ausbreitete. Sie hatten nun seit zwei Tagen und Nächten weder gerastet noch geschlafen.
    Als Chris anfing, im Sattel zu torkeln und zweimal fast vom Pferd gefallen wäre, glaubte sie ein Licht zwischen den Bäumen schimmern zu sehen. Nachdem sie ein paarmal geblinzelt hatte, um eine etwaige
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