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Die Verfuehrerin

Titel: Die Verfuehrerin
Autoren: Jude Deveraux
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zu sein schien. Vielleicht hatte auch er ein Bad im kalten Fluß genommen, überlegte sie. Er hatte die Knöpfe an den Manschetten nicht zugeknöpft, und als der Ärmel zurückfiel, sah sie, daß alle Muskeln und Adern an seinem Unterarm sich wie ein Relief unter der Haut abzeichneten. Es sah aus, als habe dieser Mann monatelang hungern müssen.
    »Ich möchte keine Unruhestifterin sein, denn ich weiß, Sie tun nur das, wofür mein Vater Sie angeheuert hat; aber...« Sie zögerte, als sie zu seinem Namen kam. »Aber, Tynan, ich habe den Eindruck, daß Sie ein paar kräftige Mahlzeiten gut gebrauchen könnten. Deshalb bestehe ich darauf, daß Sie mit mir ins Lager zurückkehren. Und sollten Sie sich weigern, kann ich Ihnen versprechen, daß ich Ihnen diese Reise sehr ungemütlich machen werde.«
    Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloß ihn dann aber wieder und grinste nur- und Chris spürte, wie ihr die Knie weich wurden, weil sein ganzes Gesicht aufzuleuchten schien. Sie dachte: Dieser Mann wird jede Frau dazu überreden können, ihm jeden Wunsch zu erfüllen.
    »So einer Einladung kann ich nicht widerstehen. Ich komme nach.«
    »Nein, Sie werden mit mir zusammen ins Lager zurückkehren. Wie kommt es, daß Sie schon einmal diesen Wald durchquert haben? Und wer hat diesen Pfad angelegt?«
    »Haben Sie Ihren Angelausflug mit Ash genossen? Er scheint ein angenehmer Gesellschafter zu sein. Auf dem Herweg war er eine große Hilfe- keine Arbeit war ihm zuviel. Und mit Pferden kann er großartig umgehen. Jeder, der ihn bisher kennenlernte, fand ihn sympathisch. Sie vermutlich auch.«
    »Nun, ja«, erwiderte sie zögernd. »Wie haben Sie meinen Vater kennengelernt?«
    »Ash kennt Ihren Vater seit vielen Jahren. Es ist ein Wunder, daß Sie ihm vorher noch nie begegnet sind. Ashers Vater hat sich durch harte Arbeit im Osten ein Vermögen verdient. Ich bin überzeugt, daß Ash aus dem gleichen Holz geschnitzt ist.«
    Chris blickte verwirrt zu Tynan hoch. Was, zum Teufel, redete er da eigentlich? Aber er lächelte nur, und diesmal wurde sie nicht davon geblendet, sondern fragte sich, ob er dieses Lächeln nicht selten dazu verwendete, Frauen zum Schweigen zu bringen, wenn sie von etwas redeten, was er nicht hören - oder ihm Fragen stellten, die er nicht beantworten wollte.
    Sie gab sein Lächeln zurück; aber wenn er Chris besser gekannt hätte, würde ihn das Glitzern in ihren Augen gewarnt haben. Denn es bedeutete, daß sie in diesem Moment eine Herausforderung angenommen hatte: Sie würde herausfinden, wer dieser Tynan - weder Nachname noch Vorname - war.

Kapitel 4
    »Ich muß mit Ihnen reden«, sagte Chris, sobald Tynan im Lager Platz genommen und einen von ihren gebratenen Fischen zerlegt hatte. Und sie berichtete ihm nun das gleiche, was sie vorher Asher erzählt hatte: Daß Lanier für das Massaker an den Missionaren verantwortlich sei. Tynan unterbrach sie nicht. Tatsächlich sagte er kein Wort.
    Als sie mit ihrem Bericht fertig war, leckte er sich die Finger ab. »Und nun erzählen sie mir, was Sie weggelassen haben«, sagte er.
    Chris sah ihn betroffen an. Doch dann sagte sie lächelnd: »Tatsächlich war Mr. Lanier sehr gut zu mir, solange ich als Gast in seinem Haus wohnte, und seine Frau ist ganz reizend. Deshalb bekam ich Gewissensbisse bei dem Gedanken, daß ich der Öffentlichkeit nun offenbaren müsse, was er getan hat.
    Natürlich ist jedes Wort über ihn wahr, wenn meine Story gedruckt wird. Ich fürchte nur, Mr. Laniers Leben wird sich dadurch - äh - verändern.«
    »Ganz zu schweigen von der Länge seines Halses«, setzte Tynan hinzu und sah sie an.
    »Und deshalb habe ich ihm einen Brief hinterlassen, in dem ich ihm ankündigte, was ich vorhabe.«
    Diesmal schwieg Tynan eine lange Zeit. Dann sagte er:
    »Was bedeutet, daß Laniers Männer uns bereits mit geladenen Gewehren erwarten, sobald wir aus diesem Wald herauskommen. Vielleicht sogar mit Kanonen - kurzum, er wird alles tun, um zu verhindern, daß Ihre Geschichte gedruckt wird.«
    Sie sah ihn mit einem schwachen Lächeln an. »Das befürchte ich auch.« Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. »Aber das sind Dinge, die ich tun mußte. Ich mußte Mr. Lanier die Chance zur Flucht geben, und ich muß diese Geschichte drucken lassen. Verstehen Sie das nicht?«
    Tynan stand auf. »Ich verstehe, daß ein Mann tun muß, was ihm aufgetragen ist; aber Sie, Miss Mathison, brauchen jetzt Hilfe, die ich Ihnen nicht geben kann. Prescott leitet diese
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