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Die Verfuehrerin

Titel: Die Verfuehrerin
Autoren: Jude Deveraux
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sicher, daß er sich recht gut selbst ernähren kann. Ich denke, Sie sollten sich lieber wieder setzen und mir mit Ihrer lieblichen Gegenwart Gesellschaft leisten.«
    Chris bezweifelte, daß sie in ihrem Leben etwas mehr haßte, als sich sagen zu lassen, was sie tun sollte. Das war die Quelle all ihrer Probleme mit ihrem Vater: Er versuchte nie, vernünftig mit ihr zu reden, sondern sagte ihr nur, was das beste für sie sei, und erwartete dann blinden Gehorsam.
    Sie schenkte Asher ein süßes Lächeln. »Ich denke, ich werde mal nach unserem Reiseleiter sehen«, sagte sie und entfernte sich so rasch, daß er keine Gelegenheit mehr zu einem Protest hatte. Kurz darauf hörte sie ihn auf der Suche nach ihr durch die Büsche waten. Sie bedankte sich bei ihrer Mutter und ihren Vorfahren, daß sie so zierlich ausgefallen war, hüpfte über einen umgefallenen Baumstamm und duckte sich zwischen den Farnen, bis sie ihn an sich Vorbeigehen sah. Als sie ihn auch nicht mehr hören konnte, ging sie noch ein kurzes Stück durch das Unterholz, ehe sie entdecken mußte, daß hier kein Weiterkommen war in dieser Wildnis aus umgestürzten Bäumen und wuchernden Pflanzen. So kehrte sie zum Pfad zurück und ging dort in Richtung Fluß weiter, folgte also Asher, der vor kurzem den gleichen Weg genommen hatte. Als sie den Scheitel einer kleinen Anhöhe neben dem Fluß erreichte, konnte sie ihn unter sich sehen, wie er stirnrunzelnd und verdrießlich in alle möglichen Richtungen schaute. Mit einem feinen Lächeln setzte sie ihren Weg fort.
    Sie war nur ein paar Meter weit gegangen, als plötzlich alle Geräusche verstummten. Der Regenwald flößte ihr das seltsame Gefühl ein, als wäre sie hier völlig allein. Alles um sie herum war grün: graugrün, blaugrün, ein Grün, das fast schwarz war, ein Limonengrün - jede Schattierung von Grün. Und alles war weich und nachgiebig. Sie strich mit der Hand über einen gefallenen Baumstamm hin, der mit einem eigenen Wald kleiner Pflanzen bedeckt war, und lächelte, weil er sich so weich anfühlte.
    Vor ihr befanden sich seltsame Gebilde aus Moos und verrottenden Baumstämmen. Sie konnte ihre eigenen Schritte nicht mehr hören, als sie über den federnden Boden ging.
    Als sie um eine Biegung kam, atmete sie heftig ein, denn vor ihr, nur eine Handbreit neben dem Pfad, lag Tynan und schlief fest. Neben seinem Kopf lag eine Satteltasche, und unter sich hatte er eine zerknüllte Decke. Er sah sehr jung und friedlich aus im Schlaf. Abermals war Chris über die Schönheit dieses Mannes betroffen und spürte ein mächtiges Verlangen, sich einfach neben ihn zu setzen und ihn anzuschauen - ein Verlangen, dem sie nachgab.
    Sie hatte höchstens eine Minute neben ihm gesessen, als er sich bewegte und die Augen aufschlug.
    »Chris«, sagte er mit einem kleinen Lächeln und machte dann die Augen wieder zu. Den Bruchteil einer Sekunde später setzte er sich kerzengerade auf, packte seinen Hut, zog ihn tief ins Gesicht und sah sie an. »Miss Mathison, ich dachte, Sie wären mit Prescott zum Angeln gegangen.«
    »Das war ich auch, bis ich erheblich mehr Fische gefangen hatte als er und ihm vorschlug, ins Lager zurückzukehren. Danach gelang es mir, ihm zu entwischen. Ich lief den Pfad hinunter und fand Sie hier. Haben Sie Ihren Mittagsschlaf genossen? Verdient haben Sie ihn bestimmt, nachdem Sie gestern nacht wach blieben und sich so rührend um uns gekümmert haben.«
    Nun wirkte er wie ein verschlafener Junge, als er sich die Augen rieb, und diesmal sah Chris ganz deutlich, daß seine beiden Handgelenke wundgescheuert waren. Auch entdeckte sie unter seinem rechten Wangenbein eine Quetschung und über einem Auge einen halb verheilten Schnitt,
    »Warum kommen Sie nicht mit ins Lager und leisten uns Gesellschaft? Mit Fischen sind wir reichlich versorgt. Haben sie schon etwas gegessen?«
    »Danke, ja. Sie müssen jetzt wieder ins Lager zurück. Prescott macht sich bestimmt schon Sorgen Ihretwegen.« Er stand auf. »Und auf mich wartet die Arbeit. Ich muß den Pfad vor uns erkunden. Ich bin überzeugt, daß Bäume auf den Pfad gestürzt sind, seit ich das letztemal hier durchgekommen bin.«
    »Und wann war das, Mr. Tynan?«
    »Nur Tynan, nicht mehr, und ganz gewiß nicht Mister«, murmelte er. Das klang so, als habe er das schon unzählige Male zu anderen Leuten gesagt.
    Chris stand auf und trat näher an ihn heran. Er drehte ihr den Rücken zu, nahm seinen Hut ab und fuhr sich mit der Hand durchs Haar, das feucht
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