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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte
Autoren: Nina Blazon
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handelte, schritten die Musiker auf die Veranda des Palastes. Die ersten Sonnenstrahlen glitten nun im Takt eines spanischen Walzers durch Fensterluken und Ritzen nach außen.
    Die Tanukis heulten auf. Sie sprangen zurück, duckten sich vor der herannahenden Sonne. Einige nutzten das Zwielicht, um sich zu verwandeln, bevor die Sonne ihnen einen Teil ihrer magischen Kraft nehmen würde.
    Zum ersten Mal sah Tobbs die Tiergestalt der Krieger. Hundeähnlich waren sie, mit braunem Fell und Flecken aus dunklerem Fell um die Augen. Ihre Ohren waren nicht spitz wie bei Füchsen, sondern abgerundet, und ihre kräftigen Pfoten glichen denen von Dachsen.
    Dann tanzten Ankou Arnold und die Sonnengöttin auf die Veranda hinaus.
    Die Sonne erstrahlte über Doman und nahm den vom Kampf müden Tanukis den letzten Rest ihrer Macht. Heulend und jaulend zogen sie sich zurück. Tobbs winkte der völlig verblüfften Moriko hektisch zu, duckte sich und hechtete im Sprint weiter bergauf.
    Dann kam das Wasser.
    Der See musste sehr tief sein, und er hatte offenbar beschlossen, sein ganzes Wasser auf einmal auszuspucken.
    Es ergoss sich über den Felsrand und verwandelte die Felsterrasse in einen Wasserfall.
    Die Flutwelle spülte Tobbs vom Pfad, bevor er auch nur Luft holen konnte. Wenn er sich bisher gefragt hatte, wie viel in seinem Wesen noch füchsisch war, bekam er jetzt eine ziemlich präzise Antwort darauf: Während Schankjunge Tobbs im Wasser zappelte, übernahm Kitsune-Taiki buchstäblich das Ruder.
    Das nächste Mal, als Tobbs wusste, was er tat, klammerte er sich mit höllisch schmerzendem Arm und dazu noch mit seinen Zähnen an einer gummiartigen Wurzel fest, die aus dem Felsen ragte. Neben ihm regneten die Reste des Wasserfalls in die Tiefe, und von seinem Kragen aus lief ein ganzer Fluss über seinen Rücken und verließ ihn erst durch die Hosenbeine wieder.
    Tobbs suchte mit den Füßen nach einem Halt, um seine schmerzenden Schultern und seinen pochenden Kiefer zu entlasten. Außerdem schmeckte die Wurzel widerlich, wie Lebertran mit Pfeffersud. Angeekelt ließ er sie los, prustete und spuckte und warf einen vorsichtigen Blick über die Schulter. Durch den Tropfenschleier konnte er das Ausmaß der Katastrophe nur erahnen.
    Pferde und Krieger waren in den Wald gespült worden. Leucht-aale wanden sich zwischen den Felsen und im Gras. Eine Nixe, die ebenfalls in der Schlucht gelandet war, zappelte wie ein Fisch, bekam Beine, stand auf und flitzte davon – vermutlich zum nächsten Bach oder zu einer Bergquelle. Die letzten Tanukis, die trotz alldem noch weitergekämpft hatten, flohen nun auch. Auf dem überfluteten Platz blieben ihre Schwerter zurück wie die zerstreuten Blätter einer silbernen Blume.
    Tobbs’ Muskeln pochten, als er sich vorsichtig hochzog. Er stöhnte und sein Kopf dröhnte. Heimat hin, Heimat her, er hatte endgültig genug!

SANDERHOLZ
    Hand über Hand, schlotternd vor Kälte, arbeitete er sich an der steilen Felswand nach oben. Seine Finger tasteten voraus, suchten fest verankerte Wurzeln. Und fanden eine Hand.
    »Tobbs! Oje! Was haben sie denn mit dir gemacht?«
    Vor ihm stand eine abgerissene Gestalt, klatschnass und zerlumpt. Eine abgeschabte Weste schlotterte um ihre Schultern. Viel zu lange Hosenbeine bedeckten ihre Füße. Beziehungsweise einen Fuß und einen Ziegenhuf. Um ein Haar hätte Tobbs das Gleichgewicht verloren, doch Anguanas Finger schlossen sich um sein Handgelenk und zogen mit aller Kraft. Ächzend schlitterte er über den Felsrand und blieb wie ein gestrandeter Fisch liegen.
    Anguana beugte sich über ihn. »Alles in Ordnung?«
    Stoppelkurzes, grüngoldenes Haar leuchtete vor einem blauen Herbsthimmel. Sie hatte Kratzer an der Wange und einen Bissabdruck an der Schulter, ansonsten aber war sie gesund und munter.
    »Klar«, krächzte er. »Ich fühle mich toll.«
    Anguana lachte und umarmte ihn. Dann zog sie ihn ohne große Umstände auf die Füße. Tobbs schüttelte sich wie ein Fuchs. Wasser flog nach allen Seiten.
    Die gewaltige Flutwelle, die den Palast umspült hatte, rollte in Richtung Tal. Zischend verlöschten die Feuer, nur die Kronen der Bäume brannten und schwelten weiter. Bald würden nur noch verkohlte Baumstümpfe zurückbleiben.
    »Puh, das war ganz schön viel Wasser«, meinte Anguana. »Ich hätte nie gedacht, dass die Nixen gleich den ganzen See nach oben kehren!«
    »Was hast du bloß gemacht?«, schimpfte Tobbs.
    Anguana grinste wie ein Dieb. Der Anblick ihrer neuen
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