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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte
Autoren: Nina Blazon
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die Hand und machte eine herrische Geste, die die Soldaten sofort Haltung annehmen ließ.
    »Geht«, befahl er. »Steht meinem Vater zur Seite.«
    »Du bist ein Prinz? Was … aber …«, stammelte Tobbs, doch der junge Mann packte Tobbs am Kragen, zog ihn hoch und zerrte ihn ein paar Schritte hinter sich her. Er stieß ihn grob hinter einen Felsvorsprung und verschwand auch selbst aus dem Sichtfeld seiner Soldaten.
    »Was machst du denn hier?«, fauchte er Tobbs dann an.
    »Das… dasselbe könnte ich dich auch fragen«, stotterte Tobbs.
    »Ich hätte dich beinahe umgebracht!«, zischte Haruto. »Hätte ich nicht dein Tatau erkannt, wärst du jetzt tot. Wie kommst du überhaupt dazu, hier gegen uns zu kämpfen, du bist doch gar kein Kits…« Dann wurden seine Augen plötzlich groß. Sein Gehirn zählte eins und eins zusammen. »Du bist ein Kitsune«, flüsterte er. »Und du sprichst sogar unsere Sprache. Und ich hielt dich für einen Tajumeeren-Mann.«
    »Und ich dachte, du hättest genug von Krieg und Blutvergießen!«, gab Tobbs bitter zurück. »Aber du bist keinen Deut besser als die anderen Tanukis. Ihr vertreibt die Kitsune aus ihrem Wald und …«
    »Sie haben uns vor langer Zeit aus unserem vertrieben«, unterbrach ihn Haruto. »Früher gehörte dieser Wald uns, doch die Kitsune drängten uns in den Norden ab. Die Knochen meiner Vorfahren liegen in den magischen Wäldern.«
    »Und die Knochen der Kitsune etwa nicht?«, gab Tobbs hitzig zurück. »Außerdem stand Inaris Tempel dort schon vor eurer Zeit und …«
    »Und die Höhle der Tanukis unter dem Palast schon vor dem Tempel der Inari!«
    Tobbs öffnete den Mund, um noch etwas zu erwidern, doch dann sagte er gar nichts. Plötzlich sah er wie in einem Endlos-Doppelspiegel, wie das Spiel zwischen Tanukis und Kitsune weitergehen würde: Jeder hatte Recht, jeder hatte Unrecht. Jeder würde ein noch älteres Unrecht ausgraben, um sich ins Recht zu setzen.
    »Willst du das?«, fragte er Haruto. »Diesen Krieg? Müsstest du nicht am besten wissen, wie es ist, ein Besiegter zu sein? In Tajumeer wären wir beide fast gestorben, hast du das schon vergessen?«
    Haruto schluckte und senkte den Blick. »Mein Vater …«, sagte er, doch er vollendete den Satz nicht. Feuer knisterte ganz in der Nähe. »Ich danke dir, dass du mir in Tajumeer das Leben gerettet hast«, sagte Haruto dann langsam. »Ich sagte dir, ich würde dir das nie vergessen. Und ich halte mein Versprechen.« Er ließ Tobbs’ Kragen los und trat einen Schritt zurück. Feuerschein fiel auf sein Gesicht und gab einen verborgenen Kummer frei. »Ihr verliert«, sagte Haruto leise. »Geh, bring dich in Sicherheit, solange noch Zeit ist!«
    »Danke«, erwiderte Tobbs aus vollem Herzen.
    Für einige Momente standen sie sich gegenüber: keine Feinde, nur zwei junge Männer, die ein Stück ihrer Geschichte verband.
    »Vielleicht wird es ja einmal … anders«, sagte Tobbs.
    Haruto zog den linken Mundwinkel zu einem ironischen Lächeln hoch. »Vielleicht«, sagte er und ging.
    Die Kitsune hatten tatsächlich einen schweren Stand. Die Tanukis drängten sie zum brennenden Waldrand zurück. Viele Krieger hatten sich in Füchse verwandelt und flohen. Von hier oben, auf halbem Weg zum Schluchtrand, konnte Tobbs das ganze Ausmaß der Katastrophe sehen.
    Es fiel ihm nicht leicht, dem verzweifelten Kampf der Kitsune den Rücken zu kehren. Er lief los, doch schon nach wenigen Schritten zögerte er auf seinem Weg zum See und spähte noch einmal zum Palast, der schräg unter ihm auf seinem felsigen Podest stand. Mach schon, Arnold!, bat er im Stillen. Hol die Göttin aus ihrem Versteck!
    Direkt vor dem Palast hielt sich die Königin der Füchse immer noch tapfer auf ihrem wolkengleichen Streitross. Ihre Truppe von Leibwächtern hielt den Halbkreis um sie aufrecht. Im Dämmerlicht konnte Tobbs sogar Morikos Gesicht erkennen. Sie kämpfte geschickt. Ihr Schwert wirbelte und blitzte und Tobbs hatte Angst um sie.
    Halte durch, Moriko!, flehte er. Wo zum Henker blieb eigentlich dieser Ankou Arnold? Wo waren die Musiker und …
    Er stutzte.
    Dämmerlicht! Der Himmel war nicht länger schwarzblau, sondern grau. Am Horizont kündigte sich der Sonnenaufgang an!
    Nun kam auch der Kampf ins Stocken. Die Kämpfer sahen irritiert zum Himmel. Und als Tobbs noch Flamencomusik hörte, die lauter und lauter wurde, hätte er vor Freude am liebsten gejubelt.
    Ein leidenschaftliches Lied singend, das von roten Rosen und ewiger Treue
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