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Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Titel: Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)
Autoren: Steffanie Burow
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die Wüste davon. Während seine Gestalt von der Dunkelheit verschluckt wurde, umringten die stummen Reiter den kaiserlichen Boten. Er riss sein Schwert hervor, doch es war zu spät. Ein wuchtiger Hieb traf ihn seitlich am Hals, und er stürzte benommen von seinem Pferd.
    Der Anführer der Männer, ein hochgewachsener Chinese, trat mit gezücktem Dolch auf den am Boden liegenden Boten zu.

    Ein Schrei durchbrach die Stille der Wüste. Es war schade um den jungen Mann, dachte Zhao Shan. Nun blieben von ihm nur ein paar bleiche Knochen im Sand. Zhao Shan hielt an und lauschte in die Nacht. Bald hörte er den Hufschlag von mehreren Tieren, und einen Moment später brachte einer der Reiter sein Pferd neben dem seines Herrn zum Stehen. Er überreichte Zhao Shan ein kleines Kästchen.
    »Was habt ihr mit der Leiche gemacht?«, fragte Zhao Shan, während er das Kästchen unter seinem Gewand verschwinden ließ.
    »Wir haben sie ein Stück den Hügel hinaufgetragen und hinter einem Fels versteckt. Sein Pferd ist hier.«
    »Sehr gut, Lin Hong. Morgen musst du seine Sachen vergraben.«
    »Das mache ich.« Lin Hong zögerte. »Hoffentlich war der Tod des armen Kerls nicht umsonst.«
    »Sein Tod wird viel Unheil vermeiden. Und jetzt lasst uns aufbrechen. Es ist ein weiter Weg bis zur nächsten Kommanderie«, sagte Zhao bestimmt und wendete sein Pferd. Lin Hong und die anderen Männer, die außer Hörweite gewartet hatten, folgten ihm. Bald war es wieder totenstill in den Hügeln.
    * * *
    Die Hitze des Sommers hatte ihren Höhepunkt erreicht und machte die Durchquerung des Korridors zwischen den Qilian-Bergen und der Großen Wüste Gobi zur Qual. Mehr als einmal entdeckte Zhao Shan einen verendeten, von Krähen zerhackten Ochsen. Die kleine Gesellschaft benötigte zwei Tage, um die Kommanderie Zhangye zu erreichen.
    In der Stadt, die zwanzig Jahre zuvor, nach General Huo Qubings Sieg über die Barbaren, zu einem Armeestützpunkt ausgebaut worden war, wimmelte es von Menschen. Offiziere und Soldaten, Bauern und Händler schoben sich durch die staubigen Gassen. Auf den Feldern vor den Stadtmauern war ein großes Lager entstanden. Ein Teil der riesigen Armee, die seit Monaten in einem ununterbrochenen Strom von Chang’an in Richtung Westen zog, machte in Zhangye Zwischenstation, um die Vorräte aufzustocken und den Tieren eine Rast zu gönnen. Zhao Shan hatte den Eindruck, als sei halb China auf dem Weg nach Westen. Er fragte sich, ob die Himmlischen Pferde, die dieses Heer aus dem fernen Königreich Dayuan holen sollte, den ungeheuerlichen Aufwand lohnten? Oder ob der Kaiser nur einer seiner Launen nachgab, um sich am König von Dayuan, der sich immerhin Kaiser Wu Dis Willen widersetzte und die Pferde nicht freiwillig herausrückte, zu rächen?
    Da Zhao Shan nicht auffallen wollte, verzichtete er darauf, sich dem Gouverneur zu erkennen zu geben, und mietete für sich und seine Männer Zimmer in einem privaten Gasthaus. Er wollte in Zhangye auf seine Soldaten, Diener, Sklaven und Wagen warten, die in frühestens zwei Wochen eintreffen würden.

    In sauberen Gewändern, die Haare von Läusen befreit und mit einem sättigenden Mahl im Magen, schloss sich Zhao Shan in seinem Gastzimmer ein und ließ sich auf einer Matte nieder. Vor ihm stand das kleine Kästchen. Die hellrote Oberfläche war mit einem Wolkenmuster verziert und sah ebenso harmlos aus wie eine der Schminkdosen, die seine Konkubinen mit sich herumtrugen. Allein wegen dieses Kästchens hatte er sein Haus in Chang’an verlassen, sein Leben und das seiner Familie in Gefahr gebracht und einen kaiserlichen Boten getötet. Die Schachtel war alles andere als harmlos.
    Er brach das Tonsiegel auf. In dem Kästchen lagen mehrere zusammengeschnürte Bambustäfelchen und die vordere Hälfte einer zerbrochenen Pferdefigur. Auf dem Rücken der dunkelgrünen Jadefigur glänzten goldene Schriftzeichen, aber ohne die fehlende Hälfte ergaben die Zeichen keinen Sinn. Zhao Shan legte die Figur beiseite. Er würde sie eventuell noch benötigen, um sich als rechtmäßiger Bote des Kaisers bei General Li Guangli auszuweisen, der die andere Hälfte besaß. Dann wickelte er die Schnur von den Täfelchen und begann zu lesen.
    Nach einer Weile legte er die Täfelchen nieder. Er war blass geworden. Seit geraumer Zeit kursierten im Palast beunruhigende Gerüchte, aber die ganze Angelegenheit war ernster, als er und seine Freunde erwartet hatten. Wu Di, der Kriegerische. Nicht umsonst hatte der
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