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Die Vampirin - Lieber untot als todlangweilig

Titel: Die Vampirin - Lieber untot als todlangweilig
Autoren: Lewis Harris
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Larch war um einiges größer als ich und hatte sich in blutroten und dolchspitzen Pumps vor der Wandtafel aufgebaut. Aber riechen tat sie nicht so toll. Ein leicht gammeliger Geruch ging von ihr aus - wie von Hackfleisch,
das zu lange ungebraten in der Wärme gelegen hat.
    »Nicht so schüchtern«, sagte sie, winkte mich mit wurmartig sich krümmendem Finger heran und genoss meine Verlegenheit.
    Ich konnte es nicht ausstehen, vor der Klasse zu reden! Wer tut das schon? So ein Machtmissbrauch! Herzlose Frau. Ich verschränkte die Finger vor dem Bauch und stand einer starrenden, durch den Mund atmenden Meute gegenüber. Dass meine Hände zitterten, war mir peinlich. Weswegen war ich nur nervös? Was hatte ich zu fürchten von diesen... diesen...
    »Ich heiße Svetlana...«
    »Lauter bitte.« Miss Larch hob zur Verdeutlichung die Stimme, ließ ihre anmutige Gestalt dabei in den Stuhl hinter ihrem Schreibtisch sinken und drehte sich herum, um zuzusehen, wie ich mich vor der Klasse wand.
    Ich bohrte meinen Blick in ihre grünen Augen und bemächtigte mich nach guter alter Vampirart ihres Denkens, um sie dazu zu bringen, mich an meinen Platz zurückkehren zu lassen.
    »Erzähl uns, woher du kommst, Svetlana«, sagte sie stattdessen und bügelte meine übersinnlichen Anstrengungen glatt ab.
    Sie war mächtig.

    Ich blickte wieder in die mitleidigen Gesichter vor mir und beschloss, die Sache rasch hinter mich zu bringen. »Ich bin Svetlana Grimm, und... äh, bin aus, äh, Texas hergezogen.« Ich stammelte und suchte nach Worten. »Ich habe einen Hund namens Razor...« Was konnte ich sagen? Was mussten diese Bonbonlutscher wissen?
    »Du wurdest zu Hause unterrichtet, steht in deinen Unterlagen«, sagte Miss Larch. »Stimmt das, Svetlana?« Ihre drahtdünnen Brauen waren gespannt wie winzige Mäusefallen. »Nun auf Gleichaltrige zu treffen, muss eine aufregende Erfahrung für dich sein.«
    Sie besaß also eine Geheimakte über mich. Und das Zusammenkommen mit Gleichaltrigen war etwa so prickelnd wie die Aussicht, immer wieder einen Schlag aufs Auge zu kriegen. »Das ist ganz okay«, log ich.
    »Na, ich hoffe, es wird noch besser als › Ganz okay‹«, schnurrte sie und verzog die Lippen zu einem hinterhältigen Grinsen, während ihre grünen Augen steinhart blieben.
    Ich kehrte an meinen Platz zurück, während Miss Larch den Fernseher in der Ecke aufdeckte, einen Lehrfilm einschob und Fumio Chen bat, die Jalousien herunterzulassen. Während er ihr eifrig gehorchte, startete sie den Film, schaltete das Licht aus und ging aus dem Zimmer. Einige flüsterten und ließen
Zettel hin und her gehen, doch die meisten sahen wie gebannt auf die Mattscheibe. Der Film zeigte ein Experiment, bei dem einer Ratte beigebracht wurde, durch ein Labyrinth zu finden, indem sie bei jedem falschen Abbiegen einen Stromstoß verpasst bekam. Schließlich gelang es ihr, zum Ziel zu gelangen, doch ihr Gesicht blieb rätselhaft; es ließ sich nicht sagen, wie die Ratte ihre traurige Lage empfand. Am Ende gab es Käse, und das - schätze ich - war immerhin etwas; doch ich empfand unwillkürlich Mitleid mit dem armen Geschöpf.
    »Ohne Fleiß kein Preis«, verkündete Miss Larch, als sie zurückkam und das Deckenlicht einschaltete. Sie stellte einen zugedeckten Teller ab und stoppte den Film. »Kann jemand von euch sich mit der Ratte identifizieren?«, fragte sie lächelnd, und ihre Supermodellippen entblößten eine Reihe funkelnder Zähne. »Glaubt mir, das war nicht bloß Biologie - das war eine Lehre fürs Leben.« Sie redete weiter über negative Verstärkung, Konditionierung nach Pawlow und solches Fachchinesisch. Endlich klingelte es: Schulschluss! Alle sprangen von den Sitzen und griffen sich ihre Taschen und Bücher.
    »Steckt euch beim Rausgehen ruhig was Süßes in den Mund!« Miss Larch nahm den Deckel vom Teller, und ein Berg Schokolade kam zum Vorschein. Begeisterte Schreie brachen los, was für eine wunderbare
Lehrerin sie sei und wie aufregend und spaßig Biologie sein könne. Diese Horde von Schleimern! Im Vorbeigehen griffen alle gierig nach dem Teller und nahmen sich ein Stück Schokolade.
    »Esst es sofort, damit es keine Schmiererei gibt«, mahnte Larch und winkte der Klasse, sich etwas zu beeilen.
    Als ich am Teller vorbeiging, ohne etwas Süßes zu nehmen, ließ Miss Larch eine erstaunlich kräftige Hand auf meiner Schulter niedergehen und zog mich beiseite. »Einen Moment bitte, Svetlana.«
    Dwight Foote griff um mich herum,
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