Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin
Autoren: Astrid Fritz
Vom Netzwerk:
viel Unglück und Leid gebracht hatte, von Kindheit an.
     
    Anfang November erfuhr Eva von ihren Wärtern, dass der Stadtbote von seiner Erkundungsreise zurück sei, und sie wappnete sich innerlich für das nun folgende Verhör. Sie würde alles daransetzen, dass es das letzte wäre und es zu keiner weiteren Tortur mehr käme.
    Einige Tage später war es so weit. Trotz der verbesserten Kost der letzten Wochen konnte Eva kaum noch aufrecht stehen, als sie im Wägloch den Gerichtsherren vorgeführt wurde. Dieses Mal war auch wieder der Amtsbürgermeister anwesend, der das Verhör beinahe feierlich eröffnete.
    Eva schwankte von einem Bein aufs andere, während der Schreiber den Bericht verlas. Sie vermochte den Ausführungen nur mit Mühe zu folgen, manches kam ihr vertraut vor, anderes ganz und gar fremd. So habe sie einem Ingolstädter Schiffsmann einen Rock gestohlen. Einen Herbergswirt, dem Leinwand geraubt worden sei, gebe es hingegen in der ganzen Straubinger Gegend nicht. Der Löwenwirt in Calmunz sei zwar nicht bestohlen worden, dafür habe er von einem ungeheuerlichen Zechbetrug durch eine junge Frau und einen Knaben berichtet. Und rund um Velburg habe man von den Zünften erfahren, wie ein Schneiderknecht namens Adam Auer Brauch und Ordnung der ehrwürdigen Handwerke schamlos ausgenutzt und sich Zehrpfennig und Unterkunft erschlichen habe. In Velburgselbst schließlich sei man auf einen der Nördlinger Wegelagerer gestoßen, den Peter Messelseder, der dort gefänglich einliege und alles gestanden habe.
    Solchermaßen ging es weiter. Namen und Orte flogen ihr um die Ohren, bis sie schließlich gar nichts mehr verstand. Sie schreckte erst auf, als Heidenreich mit donnernder Stimme das Wort an sie richtete.
    «Gestehst du, den Calmunzer Löwenwirt um eine beträchtliche Zeche geprellt zu haben?»
    «Ich hatte Hunger», flüsterte sie.
    «Ob du gestehst, will ich wissen?»
    «Ja.»
    «Gestehst du, dem Ingolstädter Schiffsmann einen Rock gestohlen zu haben?»
    «Ja.»
    So ging es immer fort, und Eva antwortete auf jede Frage mit Ja.
    «Kommen wir jetzt zum wichtigsten Punkt der Anklage zurück – der Straßenräuberei.» Heidenreich wandte sich an die anderen Ratsherren. «Dieser Peter Messelseder hat umfassend gestanden – darunter die beiden Überfälle, die unsere Malefikantin erwähnt hat. Den bei Nördlingen beschrieb er haarscharf so, wie ihn auch die Barbiererin geschildert hat. Zwar sei weder eine Eva beteiligt gewesen noch ein Schneiderknecht namens Adam – nur eine Landstörzerin, die Liesel genannt. Die sei mit der Beute auf und davon. Zudem hat er den Meuchelmord an vier Krämern gestanden, eine Meile vor Regensburg – er leugnet allerdings, dass da ein Weib dabei gewesen sei. Ganz offensichtlich will er die Barbiererin schützen, aber durch ihr Wissen um die Einzelheiten können wir mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Delinquentin beide Male an diesen schändlichen Verbrechen beteiligt war und somit den Tod durchs Wasserverdient hat.» Er beugte sich über den Tisch. «Gibst du also zu, dass du zu dieser Rotte von Straßenräubern und Mördern gehörst und arglose Kaufleute überfallen hast?»
    Eva sah verwundert auf. «Überfallen? Rotte?»
    Auf einen Wink Heidenreichs hin trat der Scharfrichter zu ihr, und Eva schrie auf: «Wartet! Fragt mich gütlich – fragt mich alles, was Ihr zu wissen wünscht.»
    Damit wiederholte sich die Vernehmung wie zuvor, nur dass es sich nun um die Einzelheiten zu den beiden Straßenrauben drehte. Auf jede Aussage Heidenreichs, auf jede Kleinigkeit musste sie antworten, und sie tat dies, ohne den Sinn der Frage zu verstehen, ein jedes Mal mit leisem «Ja». Am Ende schien der Inquisitor vollkommen erschöpft, und während er sich den Schweiß von der Stirn wischte, musste Eva feierlich und vor Gott versichern, dass all die Dinge so stünden, wie es geschildert worden war.
    «Mein Kind» – Flanser sah sie voller Mitgefühl an   –, «gibt es noch etwas, was du dir von der Seele reden möchtest?»
    Müde schüttelte sie den Kopf, doch Flanser wandte den Blick nicht von ihr ab, und so murmelte sie: «Es tut mir alles von Herzen leid. Ich hab den Tod wohl verdient, nichts ist mehr an seinem Platz in meinem Leben, alles ist von hier nach da gerückt, ich find mich doch selbst nicht mehr zurecht!» Ihre Stimme festigte sich. «Viel Falsch, Betrug und bestimmt auch böse Schelmenstücke hab ich mit den Menschen getrieben, seitdem ich von zu Haus weg bin. Ohne es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher