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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin
Autoren: Astrid Fritz
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immer zu wollen, hab ich so viel Unheil gestiftet, dass sich mir schon alles im Kopf dreht. Und ich wär froh, endlich vor den Höchsten Richter zu treten. Trotzdem flehe ich Euch an, ehrsamer und weiser Rat: Mit Morden, Rauben und Brennen hab ich nie zu tun gehabt, und so bitt ich das hohe Gericht um einen gnädigen und schnellen Tod.»

47
    Der Wind, der durch die Ritzen und Winkel pfiff, verriet, dass es draußen stürmte, das spärliche Licht der Tranlampe, dass es Tag war. Eva war gerade erwacht, als sie eine Gestalt durch den niedrigen Türrahmen kommen sah, die sich an die Wand lehnte. Es war nicht die gebeugte, knorrige Gestalt von Michel, auch nicht die feiste, untersetzte des anderen Wärters, des Mattis. Der hier war hoch gewachsen und schlank und atmete schwer, während er sie jetzt zu betrachten schien.
    Sie richtetet sich auf: «Meister Sick?»
    «Gütiger Herr im Himmel», flüsterte der Mann.
    Eva glaubte zu träumen. Was sie gehört hatte, war die Stimme von Moritz! Sie schloss die Augen und ließ sich auf ihr Strohlager zurückfallen. Da fühlte sie eine kühle Hand über ihren Arm streichen, hörte immer wieder ihren Namen, spürte ein tränennasses Gesicht in ihrer Handfläche. Als sie die Augen aufschlug, kauerte Moritz neben ihr im Stroh und weinte.
    «So hat dir also endlich jemand Bescheid gegeben», flüsterte sie.
    «Nein.» Moritz sah sie erstaunt an. Sein Gesicht war aschfahl. «Ich war immer wieder unterwegs, bis ich vor einigen Tagen von diesem Prozess erfuhr. Von einem falschen Schneiderknecht namens Adam Portner, der eine Frau ist.» Sie verstand ihn kaum, so leise sprach er. «Ich hab gebetet, dass du es nicht bist, die hier im Kerker sitzt, und es doch von ganzem Herzen erhofft, weil ich schon geglaubt hatte, dich nie wiederzusehen. Gütiger Herrgott» – jetzt begann er wieder zu schluchzen   –, «was haben sie mit dir gemacht?»
    Ganz licht und klar war sie mit einem Mal und begriff, dass er wahrhaftig bei ihr war: Moritz, ihr Geliebter, saß hier bei ihr in ihrem Verlies. Sie war nicht mehr allein.
    «Jetzt wird alles gut», murmelte sie.
    «Ja!» Er zog sie in seine Arme und hielt sie fest umschlungen.
    Dann hörte sie ihn erzählen, wie er, nachdem er gewaltsam nach Oettingen verschleppt worden war, sie überall hatte suchen lassen, von seinen besten Männern, selbst durch Regensburg seien sie gekommen.
    «Aber nirgends war ein Schneider namens Adam Portner oder eine junge Frau mit Namen Eva zu finden.»
    «Die gab es auch nicht mehr», sagte sie leise und bat ihn weiterzuerzählen.
    Wochen später habe er sich schließlich einen Urlaub ausgebeten und sich selbst auf den Weg gemacht. Als Allererstes habe er das alte Jagdhaus aufgesucht: Es war bis auf die Grundmauern niedergebrannt!
    «Danach bin ich zur Burg geritten und hab dort meinen Vater zur Rede gestellt. Ich hätt ihn fast meuchlings gemordet, nur um etwas über dich herauszufinden. Aber er hat nur höhnisch gelacht und mir geraten, doch im Jagdhaus nach deiner Asche zu suchen.» Er schloss für einen Moment die Augen, und seine Lippen zogen sich vor Schmerz zusammen. «Da bin ich wieder zurück nach Oettingen und habe mich beim Grafen freiwillig für einen Feldzug nach Italien gemeldet, in der festen Absicht, auf dem Schlachtfeld zu sterben. Aber Gott hat es anders gewollt. Im blutigsten Getümmel hab ich nicht mal einen Kratzer abbekommen!»
    Eva lächelte. «Dafür will ich Gott danken.»
    «Aber ich bin zu spät gekommen! Warum hab ich dich nicht früher finden dürfen? Warum hier, in diesem elenden Loch?»
    «Du bist nicht zu spät. Ich habe mich mit allem abgefunden, was kommen mag. Dass du jetzt hier bist, ist das Schönste, was mir noch geschehen konnte!»
    Zärtlich strich sie über sein schmales Gesicht, seine Narbe an der Wange, über den geschwungenen, schönen Mund, küsste ihm die Tränen von den Augen, wie um ihn in seinem Leid zu trösten. Dann fanden sich ihre Lippen. Vorsichtig, sacht und schließlich voller Verzweiflung küssten sie sich, bis von der Tür her ein lautes Räuspern zu vernehmen war.
    «Ihr müsst gehen, Herr. Sonst bekomm ich Ärger.»
    Es war Michel, der unsicher den Kopf hereinstreckte.
    Widerstrebend löste sich Moritz von ihr, und sie standen auf.
    «Ich hab noch einen Wunsch», sagte sie. «Meine Schwester Josefina ist in Ulm, bei den Beginen. Lass sie wissen, dass unser kleiner Bruder in Straubing ist, bei unserem Oheim Endress Wolff. Dass es ihm gutgeht und sie sich nicht
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