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Die Unzertrennlichen

Die Unzertrennlichen

Titel: Die Unzertrennlichen
Autoren: Lilian Faschinger
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Zimmermädchen der Pension, in der wir wohnten, erzählte ihr davon. Es ließ sie kalt. Regina hatte keine Gefühle.«
    Der Zeuge Jehovas. Und Elettra. Was mir berichtet worden war, hatte gestimmt.
    »Ich hatte mir von der Woche in Italien etwas Ruhe und Frieden versprochen, hatte gehofft, dass die Sonne, das Meer, die südliche Vegetation einen besänftigenden Einfluss auf Regina haben würden. Das war ein Irrtum. Auf der Insel eskalierte die Situation, da unsere Arbeit nicht mehr als Puffer funktionierte. Wir waren ständig zusammen.« Er wandte mir den Blick zu. »Ich habe dir von dem Badeausflug nach Vivara erzählt. Davon, wie sie über die Bucht schwamm und ertrank. Es war ganz anders. Wir stritten uns. Sie sprang ins Wasser und schwamm weg.«
    Wieder versuchte ich zu nicken. Hätte ich mich artikulieren können, wäre es mir vielleicht gelungen, mich zu retten. Ich hätte Stefan klarmachen können, dass ich Bescheid wusste, dass ich während der Lektüre von Reginas Tagebüchern mit ihm mitgefühlt hatte. Dass ich von seiner Frau ebenfalls betrogen worden war. Auf andere Weise, aber nicht weniger schändlich.
    »Nach ihrem Verschwinden blieb ich noch zwei, drei Tage in Procida, hoffte zunächst, sie würde doch noch, doch wiederauftauchen. Aber es ergab sich keine neue Wendung der Situation, und so beschloss ich, nach Österreich zurückzufahren. Ich wollte nicht länger bleiben. Ich hatte genug.« Er hielt kurz inne in seinem Hin- und Hergehen. »Da rief sie mich an, sehr früh am Morgen. Aus Neapel. Erzählte mir irgendeine Geschichte von ein paar Leuten, die sie aus dem Wasser und zu sich auf ihr Motorboot geholt hatten. Mit denen sie nach Neapel gefahren war. Sie verlangte, dass ich sie am Hafen in Neapel abholte. Sie wollte auf der Stelle nach Hause.«
    Er hielt kurz inne, dann ging er weiter hin und her, hin und her.
    »Ich brach sofort auf, nahm die nächste Fähre. Ohne den Wirtsleuten Bescheid zu sagen. Ich würde später anrufen und ihnen das Geld für das Zimmer und das Essen überweisen. Sie würden meine überstürzte Abreise verstehen, ich stand unter Schock. Als wir in den Hafen von Neapel einfuhren, sah ich Regina schon von weitem an der Anlegestelle der Fährschiffe stehen. Sie wirkte so klein, so zerbrechlich.« Er schaute mich an. »Ich war so froh, sie zu sehen, Sissi. Trotz allem. Ich nahm sie in die Arme, wollte sie nicht loslassen.« Er machte eine kurze Pause, verzog das Gesicht in einer Grimasse. »Auf der Rückfahrt verging mir die Wiedersehensfreude sehr bald. Regina schilderte mir die Tage und Nächte, die sie mit diesen Männern aus Neapel verbracht hatte, in aller Ausführlichkeit.«
    Ich weiß Bescheid. Ich weiß es. Ich litt darunter, es nicht sagen zu können. Ich weiß es. Ich weiß.
    »Die Männer hatten offenbar Kontakte zur Camorra. Sie fand das witzig. Aufregend. Abenteuerlich.«
    Er blieb stehen, griff sich mit beiden Händen an den Kopf.
    »Sie hörte nicht auf, Sissi. Sie hörte einfach nicht auf. Wieder und wieder beschrieb sie mir genüsslich und sadistisch, was sich abgespielt hatte. Ich versuchte abzuschalten, einfach nicht zuzuhören, aber das war schwierig. Ohne irgendwo lange anzuhalten, fuhr ich bis nach Österreich. Mitten in der Nacht kamen wir im Sausal an.«
    Er setzte sich wieder in Bewegung. Auf und ab. Auf und ab.
    »Ich war völlig überanstrengt vom langen Fahren, ausgelaugt, einem Zusammenbruch nahe. Und voller Wut. Ich konnte nicht mehr. Zuerst Reginas Verschwinden, ein paar Tage darauf ihr Anruf, dann das Zusammentreffen am Hafen in Neapel. Die Tortur der Rückfahrt. Es war zu viel für mich.« Er hielt inne, wie um sich zu sammeln. »Wir gingen ins Haus, ich trug das Gepäck in die Stube. Wir stritten uns. Plötzlich wandte sie sich mir zu, mit einem hintergründigen Lächeln, zog die Kette, die du kennst, unter dem T-Shirt hervor, nahm sie von ihrem Hals und hängte sie mir um.« Wieder verzerrte sich sein Gesicht. »S wie Salvatore, sagte sie. So hieß einer der Typen. Ich habe sie ihm vom Körper gestohlen, sagte sie, während der Orgie. Ein Geschenk für dich, habe ich mir gedacht. S wie Stefan, nicht? Sie begann laut zu lachen. Gefällt sie dir? fragte sie. Gefällt sie dir?«
    Er presste die Lippen aufeinander.
    »Es ging sehr schnell, ich erinnere mich kaum«, setzte er fort. »Ich nahm den Buddha von der Konsole und schlug damit auf ihren Kopf ein. Wie oft, weiß ich nicht. Auch nicht, woher ich die Kraft dazu nahm. Du kennst die Statue, sie
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