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Die unsicherste aller Tageszeiten

Die unsicherste aller Tageszeiten

Titel: Die unsicherste aller Tageszeiten
Autoren: Thomas Pregel
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Chucks und ein Goldkettchen und den Anflug eines Schnurrbarts. Gruselig. Vielleicht hatte die Geschmacklosigkeit bei ihm aber auch System und sollte Ausdruck seines schrägen Humors sein, denn den hatte er durchaus; wenn er nicht gewesen wäre, hätten wir uns alle nach fünf Minuten schon nur noch gegenseitig angeschwiegen und beim Saufen zugesehen. Er rückte jetzt die zwei frei gewordenen Barhocker zu mir auf und prostete mir, dem ehrwürdigen Spender, mit dem Tequilaglas zu.
    »Auf dein Wohl«, sagte er und kippte, ohne auf mich zu warten, den Schnaps hinunter.
    »Ja«, sagte ich und sah mich mit einem allem überdrüssigen Siebentageregenwetter-Gesicht um.
    Außer uns und den beiden Barkeepern war nur noch eine Handvoll Leute da, müde, verschwommene Männergesichter, zu benommen, um schon den Heimweg antreten zu können, oder noch nicht enttäuscht, hoffnungslos genug, vielleicht ja doch noch gerade heute den Mann fürs Leben zu finden. Sie widerten mich an, ich hielt ihre Gesichter für Spiegel meines eigenen.
    Das Schweigen zwischen uns dehnte sich immer weiter und bedrückender aus, und ich wusste nicht mehr, worauf ich meinen Blick noch hätte heften können. Da beugte er sich endlich vor und flüsterte mir, lüstern grinsend, ins Ohr:
    »Komm mal kurz mit, ich werd dich so heftig in den Arsch ficken, bis dir die Freude darüber im Gesicht anzusehen ist.«
    Ich zuckte unmerklich mit den Schultern und ging mit. Nicht, weil ich ihn für einen so tollen Hengst hielt und überzeugt war, er würde halten, was er versprach, sondern weil ich aus keinem anderen Grund als diesem hergekommen war.
    Wir trieben es standesgemäß auf der Toilette.
    Ich ging voran, er kam hintendrein – eingezwängt in eine der winzigen Kabinen aus schwarzem Holz, schwarzen Fliesen, weißem Müll, Urinflecken und Uringeruch – ein Umdrehen wäre nicht möglich gewesen, war aber auch gar nicht erwünscht. Weder wollte ich ihn sehen noch küssen, nur schnelle Befriedigung. Meine Beine spreizten sich über der offenen Kloschüssel, in der gelbliches Wasser und ein paar Fetzen durchweichtes Klopapier schwamm, meine Jeans hing mir auf halber Höhe zwischen Schritt und Knien. Er öffnete nur seinen Gürtel und Hosenstall, spuckte sich mehrmals auf die Finger, rieb sich und mich ein und stieß zu. Es tat weh, ich bekam, was ich verdiente, betäubt vom Alkohol. Und um wirklich auf Nummer sicher zu gehen und nicht zu schreien, biss ich in den Mittelfinger seiner linken Hand, die er über meinen Mund gelegt hatte und der mir zwischen die Lippen gerutscht war. Ihn schien das anzutörnen. Mit der anderen wichste er meinen Schwanz.
    Plötzlich, mittendrin, seine Lippen hechelten direkt in mein rechtes Ohr:
    »Du erinnerst dich nicht mehr an mich, oder?«
    Ich kniff vor Schreck nur Lippen und Arschbacken zusammen.
    »Triebwerk? Irgendwann letztes Frühjahr? Da hatten wir schon mal das Vergnügen, wenn du weißt, was ich meine.«
    Und er vollführte ein paar noch kräftigere Hüftstöße, um erst gar keine Missverständnisse aufkommen zu lassen.
    »Du warst so richtig geil hemmungslos. Hast in einem Sling gelegen und dich der Reihe nach von beinahe jedem Typen durchnehmen lassen, der da war. Dir ist der Schleim nur so aus der Fotze gelaufen. Ich hab ein bisschen was davon aufgeleckt. Das war so lecker. Ich hab nach meinem Schwanz auch noch meine Zunge ganz tief in dich reingebohrt, und dann hab ich dir das Zeug, das ich aus deinem Arsch geholt habe, in den Mund gespuckt und wir haben uns geküsst …«
    Er redete und stieß sich in Ekstase und kam kurz darauf in meinem Enddarm. Ich brauchte etwas länger, bis er mich so weit gebracht hatte, mir war die Lust gründlich vergangen.
    »Wie gerne würde ich mich jetzt hinter dich knien und dir das Loch wieder auslecken«, lüsterte er in mein Ohr. »Du bist so eine geile Sau«, fuhr er dann fort. »Ich könnte das mit dir immer wieder machen. Wär das nicht geil?«
    Ich reagierte nicht.
    »Ich heiße Bert. Wie heißt du?«
    »Nono.«
    »Ein schöner Name. Italienisch? Bist du Italiener?«
    »Ja.«
    »Cool. Ich steh voll auf Südländer.«
    Den Namen habe ich einem italienischen Touristenpärchen in einem Café in Kreuzberg quasi von den Lippen stibitzt. Der Name gefiel mir, und nun nutze ich ihn hin und wieder, wenn ich mich dazu genötigt sehe, meine wahre Identität zu verschleiern.
    »Ich würd dich gern wiedersehen, Nono.«
    Ich reagierte wieder nicht.
    »Bist du vielleicht bei Gayromeo? Bin seit
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