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Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Titel: Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)
Autoren: Anne Helene Bubenzer
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rief die Schriftstellerin aufgebracht. »Das kann ja wohl nicht wahr sein. Hier passiert erst mal gar nichts, so lange ich nicht mit Ihrem Vorgesetzten gesprochen habe, Herr Das-tut-nichts-zur-Sache.«
    Der Sicherheitsbeamte sprach in sein Walkie-Talkie, es knatterte und rauschte, Dorle, die Röntgenfrau, hatte sich inzwischen zu uns gesellt, und die Schriftstellerin nahm mich aus der Plastikwanne und strich mir über den Kopf, als wolle sie mich beruhigen. Dabei beruhigte sie sich doch nur selbst. Ich kenne dieses abwesende, automatische Streicheln von Kindern und Erwachsenen – in diesem Punkt sind sie alle gleich.
    »Legen Sie den Bären zurück«, sagte Dorle ruhig, aber bestimmt.
    Die Schriftstellerin reagierte nicht. Sie strich weiter über meinen Kopf.
    »Sie legen sofort den Bären zurück«, rief der Beamte aufgeregt. »Hinlegen, sag ich.« Er griff nach seiner Waffe.
    »Schon gut, bitte, ich bin ganz harmlos«, sagte sie nun auch erschrocken und legte mich vorsichtig zurück in die Wanne.
    Nein, halt mich fest! Halt mich fest! Bitte, halt mich fest.
    Um uns herum blieben die Leute stehen, alle schauten herüber, neugierig, besorgt, belustigt, wütend, weil wir den Betrieb aufhielten. Doch keiner half uns.
    »Bitte, gehen Sie weiter, meine Herrschaften, es gibt hier nichts zu sehen«, sagte Dorle.
    »Sie zeigen uns jetzt erst einmal Ihre Bordkarte. Und sicher haben Sie doch auch einen Namen«, sagte der Beamte.
    »Jeder hat einen Namen«, schoss die Schriftstellerin zurück und hielt ihm ihren Reisepass hin, in dem die Bordkarte steckte.
    Da fiel mir auf, dass ich gar nicht wusste, wie sie heißt. So ist das manchmal, neue Besitzer stellen sich selten mit Namen vor. Eigentlich ist das auch unerheblich, denn früher oder später bekommt man ja mit, wie sie genannt werden. Doch ich kann nicht leugnen, dass es mir gerade jetzt lieber wäre, ich wüsste, wie sie heißt.
    »So, gnädige Frau, dann kommen S’ bittschön mal mit, und dann klären wir die Sache in Ruhe«, sagte Dorle.
    »Und was ist mit meinem Flug?«
    »Das sehen wir dann.«
    Der Beamte nahm die Plastikwanne unter den Arm, die Schriftstellerin folgte ihm und Dorle bildete die Nachhut. Ich lag mit dem Gesicht nach unten, die Nase gegen das kühle Plastik gedrückt. Das Funkgerät knisterte, die Schritte hallten.
    »Bitte, das kann doch nur ein Missverständnis sein«, sagte die Schriftstellerin jetzt. »Was soll denn an einem so alten Teddy Schlimmes sein? Sehen Sie ihn sich doch einmal an.«
    »Verzeihung, gnädige Frau, aber darauf können wir keine Rücksicht nehmen. Was glauben Sie denn, wie Terrorismus funktioniert?«, sagte der Beamte herablassend.
    Wir betraten einen Raum, die Wanne wurde unsanft auf den Tisch gestellt, Stühle wurden gerückt.
    »Wir nehmen jetzt Ihre Personalien auf, und dann kommt ein Kollege von der Polizei und schaut sich Ihren kleinen Freund einmal an. Wenn Sie jetzt kooperieren, sind wir ganz schnell fertig und Sie schaffen es heute vielleicht doch noch nach München. Es ist einfach eine notwendige Sicherheitsmaßnahme.«
    »Denken Sie doch mal nach!«, rief die Schriftstellerin jetzt mit Verzweiflung in der Stimme. »Wenn ich wirklich eine Bombe in meinem Bär versteckt hätte, würde ich wohl kaum nach München fliegen, sondern nach Washington. Oder glauben Sie, ich würde mir wegen dem bayerischen Ministerpräsidenten so eine Mühe machen?«
    Sie war toll. Sie kämpfte für mich – und ich hatte ein schlechtes Gewissen. Sie kannte ja mein Geheimnis nicht. Niemand kannte es, außer Alice. Und Alice, dieser Gedanke trifft mich immer wieder hart, war sicher schon lange tot.
    »Bitte, wie Sie wollen«, sagte der Beamte. »Dorle, bring die Dame bitte ins V1. Ich kümmere mich um den Teddy.«
    Geh nicht weg, bleib hier, lass mich nicht allein. Nicht weggehen!
    »Ich komme wieder«, sagte die Schriftstellerin leise, aber bestimmt. Und ich wusste nicht, ob sie es zu mir sagte oder zu dem unangenehmen Sicherheitsbeamten. »Und wehe, dem Teddy ist auch nur ein Haar gekrümmt!«, setzte sie drohend hinzu.
    Ich hörte, wie sich die Tür öffnete, die junge Frau verschwand aus meinem Blickfeld und das Letzte, was ich von ihr vernahm, war der Satz: »Das ist schon wieder so eine unglaubliche Geschichte, die müsste man glatt aufschreiben. So was glaubt einem ja keiner.«
    Und jetzt liege ich hier. Es ist still, nur eine Neonröhre summt leise und eine Fliege sucht vergeblich den Weg hinaus aus dem Fenster. Der Beamte ist
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