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Die ungehorsame Tochter

Die ungehorsame Tochter

Titel: Die ungehorsame Tochter
Autoren: Petra Oelker
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Jahr weiß man ja nicht, womöglich
     bringt der nur eine neue Nebelbank von der See mit. Wenn nicht bald   …»
    «Thea!!» Zacharias fand, seine Schwester plappere, und weil er nie begriffen hatte, dass sie so redete, wenn sie etwas nicht
     sagen wollte, war er gleich wieder da, dieser Zorn. Er war verflogen, als er sie so klein und auf ihren Stock gestützt in
     der Tür stehen sah. Obwohl die Entfernung zwischen ihren Häusern kaum eine halbe Meile betrug, sahen sie einander nicht oft.
     Selbst seit er nicht mehr ständig als Lotse arbeitete und häufiger an Land war. Doch stets, wenn er sie sah, spürte er das
     warme Gefühl einer besonderen Vertrautheit, das er nur für sie empfand. «Thea», wiederholte er, «du plapperst.»
    «Tue ich das? Wahrscheinlich. So sind wir Frauen eben. Wir plappern. Nun gut. Ich werde schweigen, wenn dumir sagst, weshalb du gekommen bist. Sicher nicht, um Kaffee zu trinken, obwohl du hier unten am Fluss nirgends sonst welchen
     bekommen wirst, schon gar nicht am Vormittag. Was willst du von Anna?»
    «Kann ich nicht einfach meine Tochter besuchen?»
    «Natürlich kannst du das. In den vier Monaten, die sie in meinem Haus lebt, hast du das allerdings nur einmal getan, und wenn
     du plötzlich mit diesem Gesicht vor der Tür stehst – das sieht wahrlich nicht nach väterlicher Sehnsucht aus. Ich kenne dich,
     Zacharias, also mach mir nichts vor und sag, was du willst. Glaub mir, es ist besser.»
    Es hieß, dass Anna bei ihr lebe, weil sie, die kränkliche Tante, Hilfe brauche. Sie beide, Zacharias und Thea, wussten, dass
     er dem nur zugestimmt hatte, weil er in seinem Haus Frieden wollte.
    «Du hast nun Frieden in deinem Haus. Und Anna hat ihn hier auch. Sie ist eine gehorsame Tochter, Zacharias. Was willst du
     mehr?»
    «Warum betonst du das so: eine gehorsame Tochter. Ich habe anderes gehört.»
    «Hast du das. Oder hat Berte etwas anderes gehört?»
    «Auch wenn du Berte nicht magst, erbitte ich mir Respekt gegen meine Frau. Es reicht, wenn Anna ihrer Stiefmutter das Leben
     schwergemacht hat. Außerdem hat es nichts mit Berte zu tun. Kocke hat sie mit diesem Menschen gesehen, am hellen Tag vor Melzers
     Kaffeehaus. Als hätte ich ihr nicht ein für alle Mal verboten, ihn zu treffen. Sie hat meine Verbote zu respektieren. Jung
     und dumm, weiß nicht, was gut für sie ist. Und sie
will
nicht wissen, was der für einer ist. Verdammt, Thea, ich erlaube nicht, dass jemand aus meiner Familie mit einem Paulung,
     mit einem Paulung   …»
    «Was mit einem Paulung?»
    «Eine Liebschaft hat», brüllte Zacharias Hörne plötzlich und sprang auf.
    «Liebschaft! So ein Unsinn. Dein blinder Zorn wird dir irgendwann den Kopf platzen lassen.» Thea Bennings rundliches Gesicht
     wurde schlagartig zu einer starren Maske, und nun glich sie ihrem Bruder auf erstaunliche Weise. «Jetzt will ich dir etwas
     sagen. Deine Tochter ist mit ihren fast zwanzig Jahren nicht mehr so jung, wie du glaubst, und ganz gewiss ist sie nicht dumm.
     Ein wachsweiches Lamm wie deine Berte ist sie allerdings nicht, sie hat ihren eigenen Kopf. Doch so oder so, es ist unerhört
     und absolut respektlos gegenüber deiner Tochter, ihr eine Liebschaft anzudichten, nur weil ein rotnasiger Bierbrauer Gespenster
     sieht. Ich müsste es wissen, und ich weiß davon nichts. Selbst
wenn
sie Matthias Paulung in Altona über den Weg gelaufen ist, warum sollte sie nicht mit ihm sprechen? Nur weil du dich mit dem
     alten Paulung, der in der Tat ein unangenehmer Patron ist, über euren Lotsengeschäften zerstritten hast, ist Matthias ganz
     gewiss kein Verräter und Tagedieb, wie du behauptest. Sie kennt ihn, seit sie laufen kann, und dass sie einen Sommer lang
     in ihn verliebt war – damals war sie fünfzehn!, diese kindliche Schwärmerei ist längst vergessen. Doch ganz abgesehen von
     der Sache mit Matthias, nein, du hörst mir jetzt zu, ganz abgesehen davon möchte ich dir empfehlen, anstatt immer nur auf
     den dir zustehenden Respekt zu pochen, an die Liebe zu denken, die deine Tochter dir zeigen würde, wenn du sie nur ließest.
     Du vergisst, dass Anna keiner von deinen Lotsknechten ist. An deinem dummen Respekt wirst du eines Tages erfrieren.»
    Zacharias Hörne starrte auf das zorngerötete Gesicht seiner Schwester hinunter. Er konnte sich nicht erinnern, wann er sie
     das letzte Mal so erlebt hatte. Thea konnte heftig werden, doch das kam selten vor. Sie war immer die gewesen, die alles mit
     einem raschen Lachen
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