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Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Titel: Die Unbekannten: Roman (German Edition)
Autoren: Dean Koontz
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es ist keine Traurigkeit mehr in dir.«

71
    Kahlköpfig und gebeugt, mit hochgezogenen Schultern und weißem Schnurrbart saß der alte Mann auf einer Bank im Park gegenüber dem Altenheim. Er trug an diesem bedeckten Tag eine Sonnenbrille. An der Bank hing ein weißer Stock.
    Tom Bigger setzte sich neben den Blinden und sagte: »Was halten Sie von all den Neuigkeiten?«
    »Ich habe ihre Stimmen gehört. Sie klingen wie Engel. Der Klang ihrer Stimmen macht mich glücklich. Ich wünschte, ich könnte sie sehen. Sind sie schön?«
    »Ja, das sind sie. Es sind die schönsten Geschöpfe, die ich jemals gesehen habe.«
    »In den Nachrichten gestern Abend hieß es, bisher seien weltweit siebzigtausend Paare gezählt worden.«
    »Haben Sie heute Morgen die Nachrichten gehört?«, fragte Tom.
    »Nein. Was kommt jetzt? Mirna, meine Frau, sagt, als Nächstes werden wir herausfinden, dass sie wie Vögel fliegen können. Was glauben Sie, was das bedeutet? «
    »Eine Chance«, sagte Tom.
    »So kommt es mir auch vor. Und wissen Sie, was ich glaube?«
    »Was glauben Sie?«, fragte Tom.
    »Wenn einer von uns jemals einen von ihnen tötet,
dann ist das unser Ende, das Ende für uns alle. Das ist das Ende, augenblicklich.«
    »Da könnten Sie Recht haben«, sagte Tom. »In den Nachrichten heute Morgen hieß es, Wissenschaftler hätten ihr Genom entschlüsselt. Wissen Sie, was sie herausgefunden haben?«
    »Etwas Erstaunliches«, sagte der Blinde. »Das hoffe ich jedenfalls. Ich habe mein ganzes Leben lang auf etwas Erstaunliches gewartet.«
    »Zuerst einmal«, sagte Tom, »haben sie in ihrem Äußeren keinerlei Ähnlichkeit mit uns. Sie sehen uns überhaupt nicht ähnlich. Aber was die Wissenschaftler sagen, ist, dass ihr Genom unserem bis ins kleinste Detail entspricht.«
    Der Blinde lachte. Es dauerte eine ganze Weile, bis er aufhören konnte zu lachen. In seinem Gelächter drückte sich reine Freude aus, und Tom empfand es als ansteckend.
    Als sie aufgehört hatten, miteinander zu lachen, sagte der alte Mann: »Haben Sie einen von ihnen in echt gesehen oder nur im Fernsehen?«
    »Ich habe nicht nur zwei in echt gesehen, Sir, sondern ich habe sie durchkommen sehen – von wo auch immer sie gekommen sind.«
    Der Blinde streckte eine Hand aus, fand seine Schulter und drückte seinen Arm. »Ist das wahr? Sie waren ein Zeuge?«
    »Auf einer Klippe über dem Meer, weiter unten an der Küste. Es hat mein Leben verändert, dass ich gesehen habe, wie das passiert ist.«
    »Erzählen Sie mir mehr darüber. Bitte, erzählen Sie mir alles darüber.«
    »Als Erstes muss ich Ihnen erzählen, dass Eichhörnchen auf der Klippe waren, und ein Dutzend Vögel, und sie wurden alle ganz still, als es passiert ist. Aber was sie erstarren ließ, war nicht das Erscheinen des Paars. Es war etwas anderes. Ich habe gefühlt, dass etwas bei uns war, das ich nicht sehen konnte, etwas, das vielleicht die Vögel und die Eichhörnchen sehen konnten, etwas, das die beiden Tiere gebracht oder sie von wo auch immer durchgereicht hat. Ich hatte große Angst, aber gleichzeitig habe ich mich … innerlich so lebendig gefühlt wie schon seit langer, langer Zeit nicht mehr. Und … ich war verändert.«
    Der Blinde dachte eine Weile schweigend darüber nach und sagte dann: »Bist du mein Tom?«
    »Ja, Dad. Ich bin dein Tom.«
    »Oh, ich möchte dein Gesicht berühren.«
    »Es ist kein gutes Gesicht, Dad. Ich fürchte mich davor, es Mom zu zeigen.«
    Hinter der Bank sagte eine Frau: »Ich habe es schon gesehen, mein Schatz. Du bist auf dem Weg an mir vorbeigekommen, bevor du dich zu deinem Vater gesetzt hast. Du hast mich nicht erkannt, aber ich habe dich erkannt. «
    Tom ließ zu, dass sein Vater sein Gesicht berührte, und sein Vater weinte, aber nicht nur über das Leiden seines Sohnes, sondern auch Freudentränen.
    Als Tom aufstand und sich zu seiner Mutter umdrehte, sagte sie: »Du bist so schön, Tom. Nein, sieh mich an. Du bist wunderschön. Dein Gesicht ist vergeistigt.«

72
    Cammy beobachtete durch das Küchenfenster, wie sie mit Merlin in dem Neuschnee herumtollten. Wären nicht ihre schwarzen Hände, ihre schwarzen Füße und ihre schwarzen Schnäuzchen gewesen, dann hätten sie unsichtbar sein können.
    Die Kaffeemaschine begann zu gluckern, und die frische jamaikanische Mischung verströmte von einem Moment zum anderen ihr kräftiges Aroma in der Küche.
    Grady sagte: »Ich bin jetzt schon überfordert damit, sie zu Hause zu unterrichten. Ihr Verstand eilt
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