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Die Ueberlebenden von Mogadischu

Titel: Die Ueberlebenden von Mogadischu
Autoren: Martin Rupps
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Leben von drei der vier Terroristen. Während der sieben Minuten, in denen die Entführer überwältigt wurden, wurde scharf geschossen. Zu den Relikten des Gefechtes gehört ein von Einschüssen demoliertes Instrument im originalen »Landshut«-Cockpit, der sogenannte künstliche Horizont.
    »Der künstliche Horizont ist praktisch das, was man sieht, wenn man in den Wolken fliegt«, erläutert der damalige Kopilot Jürgen Vietor im Gespräch. »Auf diesem Instrument sieht man den Himmel und die Erde und das Flugzeug, das sich zwischen Himmel und Erde bewegt. Auf dieser Anzeige befindet sich eine Kugel. Wenn das Flugzeug eine Kurve macht, dreht sich die Kugel und zeigt dem Piloten die Schräglage des Flugzeugs an.« Der Pilot hält das Flugzeug mithilfe des künstlichen Horizonts, das es in einer Boeing 737 zweimal gibt, in stabiler Fluglage.
    Das Instrument steht heute bei Jürgen Vietor im Schrank. Be 322 stimmt wäre er bereit, das Stück leihweise zu überlassen. Die Einschüsse in Vietors Exemplar stammen von GSG - 9 -Leuten, die den Anführer der Terroristen, Mahmud, im Cockpit ausschalten mussten.
    Der Funkverkehr zwischen dem »Landshut«-Cockpit und dem Flughafen-Tower ist erhalten, weil ihn der israelische Amateurfunker Michael Gurdus »abgegriffen« hat. Besucherinnen und Besucher eines »Landshut«-Erinnerungsortes könnten den in gebrochenem Englisch geführten Funkverkehr über Kopfhörer verfolgen und gleichzeitig die Übersetzung am PC lesen.
    Auch der gesamte Funkverkehr der »Aktion Feuerzauber« wurde aufbewahrt und stellt heute ein bedeutendes historisches Dokument dar. Stefan Aust und Helmar Büchel konnten ihn erstmals für ihre zweiteilige Dokumentation Die RAF verwenden.
    Die eindrucksvollsten Fernsehgespräche, die mit früheren »Landshut«-Geiseln geführt wurden, stammen von dem früheren Südwestfunk-Mitarbeiter Ebbo Demant. 1980 , also zeitlich nah am Ereignis, befragte er neun Betroffene für seine ARD -Produk­tion Flugplatz Mogadischu . Sein großes Einfühlungsvermögen und die Bereitschaft, den Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern Raum zu lassen, sorgten für die authentischsten Schilderungen von Geiseln vor einer Fernsehkamera.
    Diese Aufzeichnungen stünden am Erinnerungsort »Landshut« zum Ansehen bereit, ebenso die beiden Fernsehspiele Todesspiel. Entführt die »Landshut« ! von Heinrich Breloer ( 1997 ) und Mogadischu von Roland Suso Richter ( 2007 ).
    Der Künstler Philipp Lachenmann brächte seine Videoinstallation Space Surrogat I (Dubai) aus dem Jahr 2000 ein. In ihr hat er das bekannteste Motiv der »Landshut«, den Blick auf die Maschine auf dem Wüstenflughafen Dubai, digitalisiert und technisch animiert. Eine halbe Stunde lang sieht man dieses Foto, das Teil einer kollektiven Erinnerung wurde und sich jetzt, dank der Videotricks von Lachenmann, in Bewegung setzt.
    Der Künstler gibt dem Motiv eine rotgelbe Färbung und ver 323 stärkt so den Eindruck von Verlassenheit, der die Maschine an diesem rauen, menschenarmen Flecken Erde ausgesetzt ist. In Lachenmanns animierter Installation scheint alles unter der starken Wüstenhitze zu glühen und dennoch in Regungslosigkeit zu verharren. Es geschieht äußerlich nichts, die Maschine steht nur da, es gibt keinen Fortschritt in dieser immobilen und dennoch dramatischen Situation.
    Wer die Fernsehbilder vom Oktober 1977 verfolgt hat, erinnert sich an diese Etappe der Entführung, als die Maschine erstmals für längere Zeit an einem Ort blieb. Es kam Ruhe in die Hektik und Dramatik der ersten Entführungsstunden, aber es war eine trügerische Ruhe inmitten eines schrecklichen und turbulenten Geschehens.
    Lachenmanns Arbeit illustriert diesen Abschnitt der »Landshut«-Entführung, als sich die Kidnapper Zeit nehmen, die Bundesregierung und noch mehr die westdeutsche Bevölkerung zu zermürben. Den Preis dafür zahlten die Geiseln, die bei Außentemperaturen von bis zu 50 Grad im eigenen Schweiß saßen und dabei den Geburtstag einer der Stewardessen feiern sollten.
    Lachenmann schuf eine Science-Fiction-Szenerie, die gleichwohl nur leicht bearbeitet der Wirklichkeit entnommen ist.
    An einem Erinnerungsort »Landshut« ist ganz wörtlich kein Raum für die Täter dieser Zeit, der ersten und zweiten RAF -Generation. Der Journalist Jochen Arntz skizzierte schon 2007 , wie ein Dokumentationszentrum ohne Täter aussehen kann: »Es gäbe keine Bilder des Vietnamkrieges oder der Studentenproteste, und es wäre auch nicht
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