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Die Ueberlebenden von Mogadischu

Titel: Die Ueberlebenden von Mogadischu
Autoren: Martin Rupps
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der junge Andreas Baader in stilvollen Schwarzweißfotos ausgestellt.« Ein Dokumentationszentrum sei der richtige Ort, um zum Beispiel die Mitleidlosigkeit, mit denen die Terroristen getötet haben, wissenschaftlich aufzuarbeiten.
    An einem Erinnerungsort »Landshut« wäre stattdessen der Raum, eine Namenstafel der Opfer anzubringen. Die Geiseln mussten stellvertretend für alle Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland, aber eigentlich aller freiheitlicher De 324 mokratien als Faustpfand dafür herhalten, dass Feinde dieser Demokratien freikommen sollten.
    Wer genau war dieses Faustpfand? Bis heute weiß nur die Deutsche Lufthansa, welche Frauen, Männer und Kinder in der Maschine gesessen haben. Aus Sorge, Persönlichkeitsrechte zu verletzten, scheut sie die Veröffentlichung der Passagierliste. Diese Haltung ist einerseits verständlich, schließlich haben die Kundinnen und Kunden den Flug nicht gebucht, um einmal ihre Namen im Museum zu lesen. Andererseits ist seit dem Ereignis so viel Zeit vergangen, dass niemand aus der Erwähnung des Namens Nachteile fürchten muss, im Gegenteil: Es könnte von den Opfern als späte Geste der Würdigung empfunden werden, dass ein Erinnerungsort »Landshut« ihr Schicksal im Bewusstsein hält. Die Opfer, mit denen ich sprechen konnte, haben es jedenfalls so empfunden.
    Selbstverständlich gäbe es an einem Erinnerungsort »Landshut« einen besonderen Platz für das zu Tode gekommene Opfer Jürgen Schumann, den Kapitän der Maschine. Er hat mit seinem Leben das größte Opfer gebracht.
    An diesem Platz könnten in einer Vitrine vier Zigarren liegen, die daran erinnern, dass Jürgen Schumann über den Müll vier Zigarren hinausschmuggelte und so den Hinweis gab, dass vier Personen das Flugzeug in ihrer Gewalt hatten.
    An den Erinnerungsort für Jürgen Schumann gehört auch eines der letzten Fotos, das von ihm gemacht wurde: Es zeigt ihn gemeinsam mit Jürgen Vietor im Cockpit der Maschine. Das Foto hat sein späterer Mörder, der Entführer Mahmud, geknipst. Er hatte in einer Gepäcktasche eine Kamera gefunden und fotografierte mehr schlecht als recht damit.
    Frühere Geiseln wären bereit, Führungen am Erinnerungsort »Landshut« zu machen. Beate Keller würde erzählen, auf welchen Sitzen sie im Lauf der fünf Tage gesessen hat, wo sich die Terroristen als Wachen postierten und wie die GSG - 9 -Männer in die Maschine eingedrungen sind. Jürgen Vietor würde die gespenstische Atmosphäre im Flugzeug schildern, nachdem Mahmud den 325 Kapitän erschossen hat. Gabriele von Lutzau würde im Cockpit das Mikrofon zeigen, in das sie ihren letzten Appell an die Bundesregierung kurz vor Ablauf des Ultimatums gesprochen hat.
    Ach ja, dieser Appell. Auch er muss nachgehört werden können. Ein ergreifendes Dokument persönlicher und mit Blick auf das Schicksal der Geiseln kollektiver Verzweiflung.
    Gegenwärtig ist »Mogadischu« auch in diesem Koloss aus Aluminium, der einmal die »Landshut« war. Seine Erhaltung und museale Verwendung böte die Chance, »Mogadischu« als eine wichtige Etappe bundesrepublikanischer Geschichte in Erinnerung zu halten.
    Die Verschrottung der originalen »Landshut« wäre ein unermesslicher Verlust für die Erinnerungskultur in Deutschland. Ein Kauf der schrottreifen Maschine ist wirtschaftlich machbar. Wo ein politischer Wille ist, ist auch ein Weg. Eine Überführung aus Brasilien nach Deutschland und eine Restaurierung könnte zum Beispiel von Bundesregierung und Deutscher Lufthansa gemeinsam geleistet werden.
    Die Erinnerung an eine der dramatischsten Tage der deutschen Nachkriegsgeschichte sollte diesen Erinnerungsort wert sein!

327 Anhang – Quellen und Literatur
    Der Abdruck des Artikels »Fünf Tage als Geisel« von Karl Hanke, aus: Die Zeit , Nr.   19 vom 5.   Mai 1978 , erfolgte mit freundlicher Genehmigung von Agnes Hanke und der Zeit .
    Der Artikel »Der funkelnde Sternenhimmel über Mogadischu« von Brigitte Pittelkow ist entnommen aus dem Internet-Angebot der Ludgerusschule Heiden, Projekt » 50 Jahre Bundesrepublik Deutschland«, online verfügbar unter: {http://www.ludgerusschule.de/content/projekte/ 50 jahre/ 70 er/ 1977 e.htm} (Stand: Juni 2012 ). Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Autorin.
    Abdruck des Hörfunkkommentars von Alois Rummel mit freundlicher Genehmigung des Südwestrundfunks.
    Der Abdruck von Julia Decker/Anne Siemens, »Bühne frei! 30  Jahre nach dem Deutschen Herbst: Ein Gespräch zwischen
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